■ Standbild: Wackelige Bilder
„Virtual Vampire“, Mo., 0.05 Uhr, ZDF
Mitte der 50er Jahre wurden in Chicago Versuche mit sogenannter „Gedankenfotografie“ („Thoughtography“) gemacht. Angeblich vermochte Ted Serios (unter Einwirkung von 12 Flaschen Bier) seine Gedanken durch starke Konzentration auf ein Polaroid abzubilden. Diese Theorie basiert auf der alten Annahme, daß Augen Sender wie Empfänger sein können, Michael Busch hat sie als filmisches Experiment in die Neuzeit übertragen. Sein „Medium“ heißt Merz, ist Mitte 40, Witwer, Trinker und labil. Merz trifft auf Dr. Andres, einen skeptischen Psychologen, der sich bereit erklärt, Versuche mit dem angeblich medial begabten Merz durchzuführen. Aber grisselige „Fremdbilder“ auf dem Fernseher stellen sich erst ein, als Andres' Freundin May auftaucht. Merz ist besessen von der Fotografin, weil sie ihn an seine tote Frau erinnert. Die Bilder, die Merz jetzt erzeugt, scheinen aus der Vergangenheit, Merz' Erinnerungen aber aus der Zukunft zu stammen. Die Geschichte wird immer verworrener, als Merz May überwältigt und filmt. Er selbst ist nicht auf dem Band zu sehen, mutiert zum modernen Vampir, unfreiwillig wandelnd zwischen zwei Welten. Der Film, von Busch fast nur mit Handkamera wackelig gedreht, kippt, als Busch die Geschichte zugunsten der Bildfragmente schleifen läßt. Und in dem Moment, in dem der Rationalist Dr. Andres die Phänomene nicht mehr hinterfragt, läßt er den Zuschauer mit 1.000 offenen Fragen zurück.
Genau diese Nachlässigkeit wirft den Film in die unseriöse Esoterikecke. Und auch formal verwischt der Film. So wird das eigentlich höchst spannende Thema zu einer streckenweise langweiligen Kunst-Kür zum Thema „Das Medium im Medienzeitalter“. Jenni Zylka
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