■ Standbild: Fahrn Se mal rechts ran, Sat.1
„Die Fahrschule“, So., 22.15 Uhr, Sat.1
Ach, das war ja mal 'ne schöne Sache an diesem klammkalten Sonntag (Sturmböen an der Nordseeküste, überfrierende Nässe in den Höhenlagen des Harz) auf Sat.1. Originell! Obwohl die Idee eigentlich derart nahe liegt, daß man sich als Zuschauer richtiggehend hatte wundern müssen, daß da bislang noch keiner drauf gekommen war. Schließlich gehört der Führerschein gemeinhin wie selbstverständlich in der Brieftasche und die Führerscheinprüfung zu den Meilensteinen zivilisatorischer Initiation. Kein Wunder also, daß ein Film über den hektisch-tristen Alltag in der Fahrschulfahrgastzelle fasziniert.
Zumal sich die Dramaturgie an diesem Sonntag scheinbar wie von selbst ergab: erste Fahrstunde, zweite Fahrstunde, Kamera hinter die Windschutzscheibe geklemmt, hektisches „Innenspiegelaußenspiegel“-Gegucke, „Die nächstmögliche rechts, bitte“, dazu ein paar Infos aus dem Off, eine Werbepause zum Beinevertreten auf der Memory Lane. Und dann endlich die herbeigehoffte und -gebangte Prüfung mit dem fremden Mann im Fond, der die Welt abermals in Gewinner und Verlierer schied an diesem Sonntag, dem 3. Januar 1999. Da nämlich widmete sich die „Spiegel TV-Reportage: Kuppeln, schalten, abgewürgt“ dem, so der damalige Untertitel, „langen Weg zum Führerschein“.
17 Wochen später nun hat Sat.1 die „Spiegel TV“-Idee von damals erneut aufgegriffen. Und weil die ebenso inflationäre wie preiswerte Doku-Soapinzwischen auch hierzulande auf allen Kanälen grünt und blüht wie der Flieder am Straßenrand, wurde auch die Sat.1-„Fahrschule“ eilig auf sechsmal 30 Minuten ins modische Hybridformat gestreckt und wurden die Fahrschüler selbst sichtlich dazu aufgefordert, beim Linksabbiegen und Kupplungkommenlassen ungebremst aus dem biographischen Nähkästchen zu plappern. So erfuhren wir in Folge 1, daß Fahrschülerin Maria Doku so gern weg aus Gelsenkirchen und nach Stuttgart möchte und Sabine Soap, Mutter von drei Kindern, (angeblich) „in der Erotikbranche ... reine, pure Pornographie ... als Darstellerin ..., aber nur im Lesbenbereich“ arbeitet.
Damals im Januar hingegen sah das alles so einfach aus. Wie früher, wenn der Papa leichthin in die Parklücke manövrierte. Doch ach, nicht nur Rückwärtseinparken will gelernt sein.
Christoph Schultheis
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