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■ StandbildBlasser Begleitservice für Liebesdamen

„Love for Sale“, Do., 23.10 Uhr, 3sat

Huren sind eben doch ganz normale Menschen. Diese Erkenntnis ist Ende der Neunziger zwar nicht mehr ganz neu, aber noch birgt sie genügend Brisanz, um sich an Charakterstudien der Sorte „einfühlsame Porträts“ zu wagen. Ein Film über Frauen aus dem ältesten Gewerbe der Welt, ohne Fleischbeschau und Männerblicke oder dramatischen Sprechertext, das hätte doch spannend sein können.

Und beginnt zunächst auch flott: Die vier „Dienerinnen der Liebe“ skizzieren sich selbst – ein paar Bilder und Sätze aus ihrem Alltag. Texteinblendungen mit Namen, Alter, Stundenlohn. Die Kamera begleitet jede für sich, ins Bordell, das Studio oder den Maso-Keller. Immer dicht dran, nie aber gierig draufgehalten. Die Person, die Frau und ihre Gedanken sind der Mittelpunkt. Das bleibt interessant, denn Innenleben und Ansichten der Damen sind facettenreich wie ihr Beruf. Und deswegen kommen die Bilder ohne Aha-Erklärungen aus, fasst niemand Biografien aus dem Off zusammen: Ihre Geschichten erzählen sich selbst.

Dann aber ist eine Runde durch den Alltag der vier gedreht und der Film erst zur Hälfte vorbei. Um ihn dort enden zu lassen, hat sich Dominique Klughammer ihnen wohl zu lange an die Fersen geheftet. Also geht es weiter, über Kindheit, Familie, den Hund oder wie alles begann. Berichte, keine Erklärungen. So rückt der Bezug zur Prostitution langsam in weite Ferne. Immerhin: Es gibt sorgsam ausgewählte Bilder, weite Aktionsradien, Komik durch praxisnahe Äußerungen der Damen. Aber im Milieu zu erwartende Konflikte bleiben aus, werden nicht widerlegt, sondern übergangen. Da hilft auch der brave Rhythmus von Alltagsdetails, seelischer Entblätterung und bewegten Aufnahmen nicht mehr. Frauen wie diese beim Telefonieren und Rouladendrehen zu befilmen, schafft noch keinen bleibenden Eindruck von ihnen. Sondern einen Film, der am Schluss noch derselbe ist wie nach der Hälfte.

Margret Steffen

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