Standbild: Karneval komatös
„Die Ingo Appelt Show“, Mo., 22.20 Uhr, Pro7
Man nehme einen markanten Kopf, der unerhörte Wortspiele zu gebären vermag. Man schneide die Haupthaare zum Markenzeichen zurecht, das der sympathisch stur studienrätlichen Aura Dieter Hildebrandts schärfstens opponiert, Lederhose voll inclusive. Man hat einen Kabarettisten, den röhrenden Hirsch unserer dösigen Tage, den Typus der entfesselten Geschmacklosigkeit, den Ventilator jedes greifbaren Kleinbürgerressentiments. Man taufe ihn: Ingo Appelt.
Die sichere Seite wählte Pro7 und räumte Stefan Raabs Platz, „TV total“, einmalig für den Probelauf der „Ingo Appelt Show“. Ob der Kundenfang künftig funktioniert, bezweifeln wir kaum. Die Lautstärke stimmt, ad infantile. Bigband-Musike und Metal-Lärm wechseln schnittig wie die Sendeelemente (Einspieler, Frontalkamera, wüste Schwenks). „Pro7 präsentiert Ihnen den charmantesten Entertainer Deutschlands“, annonciert der Harald Schmidt der Saunasen seine Wenigkeit und das Peter-Frankenfeld-Schmiersexsatinoutfit. Tanzend und in neunationaler „präejakulativer Gesangstechnik“: „Humor, Humor, Humor, was diese Welt“, die deutsche, „zusammenhält, ist gute Laune“, orakelt adornitisch das krächzende Pissoir, hampelnd, als hätte es/er einen Lust fördernden Lendenkrampf. Und jetzt die solid stupide Solonummer: „Naddel moderiert, Gerhard Schröder ist Bundeskanzler, und alle Männer rennen zu Appelt, um das böse Wort mit ,f‘ zu brüllen.“ Publikum: „Fickööön!“ „Diese Dörrflamme von Steffi Graf, einen Agassi nach dem anderen“, und „was macht der Kanzler? Erigiert, erigiert.“
Tja. Karneval komatös goes Krach, die Hölle „ist im Lack“, der Analzwang kreischend bei sich. „Ist Krieg nicht die Weiterführung der Menstruation mit anderen Mitteln?“ Bzw.: „Männer“, grölt Appelt, „kacken ganz leicht!“ Man kann das so machen. „Die dunklen Geschäfte der Union schreien weiter nach Aufklärung“ („heute journal“) fand ich, katastrophenkatachretisch gesehen, gleichwohl überzeugender. Jürgen Roth
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen