piwik no script img

StandbildTristes Gegniedel

„Gottschalks TV-Welt“, Do., 20.15 Uhr, ZDF

Manch ein Gitarrenriff ist dazu angetan, spontanes Sodbrennen hervorzurufen. „Smoke On The Water“, von Deep Purple zu Beginn der Show dargeboten, basiert auf einem solchen Riff. Das machte Sinn, schlägt doch auch Gottschalk sattsam bekannte Akkorde: „Gottschalks TV-Welt“ ist wie „Wetten, dass ...?“, nur ohne die öden Wetten.

Immerhin 5,67 Millionen Menschen sahen, wie sich das Fernsehen dem Fernsehen widmete, inklusive „Tuttifrutti“-Fernsehballett und Showtreppe, die Gottschalk herniederschritt und verkündete: „Das Fernsehen hat ja eine rasende Entwicklung genommen, auch optisch!“ Auch akustisch: Nena musste wieder „99 Luftballons“ steigen lassen und gegen parallel eingespieltes Archivmaterial ansingen. Grausam auch Joan Collins mit ihrer hinter den Schläfen festgetackerten Gesichtshaut – Gottschalk richtete die geölte Mumie mit einem sybillinischen Kompliment: „Sie sehen ja keinen Tag gealtert aus!“ Dann sitzt da plötzlich Inge Meysel mit ihren 89 Jahren, wendet sich ans Publikum und bettelt um eine Bestätigung ihrer Existenz: „Bitte sagen Sie, dass ich noch da bin!“ – erst eisiges Entsetzen, dann höflicher Applaus.

Noch da ist auch Pamela Anderson, die schon bei „Wetten, dass ...?“ dekorativ herumhockte und vor Fragen kapitulierte, die selbst eine Topfpflanze eloquent hätte beantworten können. Das ist ihr Job. Und Gottschalks Job ist es, den blühenden Blödsinn auf dem Feld der langen Weile staatstragend zu präsentieren. Er darf, er muss sogar Stefan Raab „die Ohren lang ziehen“, um die Verhältnisse wieder ins Lot zu bringen: Raab mag sein, Gottschalk ist – vielleicht sogar das deutsche Fernsehen selbst. Dies zu beweisen war der eigentliche Zweck der bizarren Veranstaltung. Zermürbend an endlos mäandernden Gitarrensoli ist die Hingabe, mit der sie nichts anderes zu feiern wissen als sich selbst. Und so gniedelten, bis das „heute journal“ dem Treiben ein Ende setzte, Deep Purple selbstverliebt durch den Abspann einer selbstverliebten Sendung. Auch das machte Sinn. Arno Frank

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen