Standbild: Der Berg ruft

■ Wer war Arnold Fanck

(Wer war Arnold Fanck, Mittwoch, 27.9., 21 Uhr) Alpine Landschaften, gewaltige Schneegebirge, steile Gletscherwände, glitzernde Eiskristalle und die zähen Burschen, die diese Herausforderung der Natur mit ihrer Willenskraft bezwingen, das sind die Zutaten, aus denen der Filmpionier Arnold Fanck seine Bergdramen in den 20er Jahren schuf. Er war in erster Linie ein Abenteurer, ein Erfinder und Tüftler, der das Medium Film entdeckte, um seiner Leidenschaft für Höhenluft Ausdruck zu verleihen. „Ein gänzlich unpolitischer Mensch“, wie Hans-Jürgen Panitz in seinem Porträt über Arnold Fanck betont. Doch seine hymnische Verklärung der Natur paßte hervorragend zur nationalsozialistischen Ideologie des edlen reinen Herrenmenschen. Fanck, der nach 1933 Goebbels Angebote zwar ausschlug und deshalb später nur unter Einschränkungen weitere Filme drehen durfte, hat mit seinen Bergfilmen Luis Trenker und Leni Riefenstahl berühmt gemacht. Und die hatten weit weniger Berührungsängste. Wenn die beiden heute über ihren spiritus rector sprechen - sie haben ihn um Längen überlebt - ist wieder viel von der treuen Kameradschaft und der überwältigenden Bergwelt die Rede. Gewissenbisse, weil sie mit ihren filmischen Werken die Propagandamaschine der Nazis perfekt bedient haben, scheinen sie nicht zu haben. Trotzdem entlarvt sich Leni Riefenstahl in den Gesprächen mit dem Autor selbst. Hinter der rein künstlerisch ambitionierten Schauspielerin, die sie zu sein vorgibt, steckt eine hemmungslose Karrieristin, die Fancks filmischen Enthusiasmus und seine Schwäche für ihre weiblichen Reize nutzte, um berühmt zu werden. Als ihr dann die Rolle des naiven Bergmädels nicht mehr reichte, machte sie sich selbstständig und drehte schließlich im direkten Auftrag der Reichsfilmkammer überschwengliche NSDAP-Parteitagsfilme.

Bergluft allein macht noch lange nicht frei von schlechten Gedanken. Hinter der vielgepriesenen Kameradschaft zwischen Fanck, Riefenstahl und Trenker verbarg sich in Wahrheit ein Meer von Eifersüchteleien und Machtkämpfen. Auf dem ergeizigen Weg zum Erfolg entzweiten sich die „guten Freunde“ und lieferten sich von nun an bitterböse Plagiatsprozesse. Dem Autor Hans-Jürgen Panitz hätte es gut angestanden, an solchen Stellen nachzuhaken, satt wieder nur auf die glitzernden Bergpanoramen abzufahren. Fanck ist posthum der Vorwurf zu machen, ein Wegbereiter des Faschismus zu sein, gerade weil er sich so ausdrücklich auf die unpolitische Position berief. Das hat er mit Millionen von Deutschen gemeinsam, die aber gleichsam willfährig den rechten Arm vorsteckten, um der Rassenhygiene beizupflichten. Herbert Reinecker, auch einer dieser unverbesserlichen Drehbuchautoren aus jener Zeit, sagte in einem Interview, daß er sich für einen mißbrauchten Idealisten halte ('medium‘ 3/88). Solche selbstreinigenden Entschuldigungen darf man heute nicht mehr gelten lassen. Den Machern des Fanck-Porträts hätten ein bißchen mehr nachzubohren müssen. Dann wäre ihnen vielleicht ein Dokument zur Klärung totalitärer Mechanismen gelungen. So war es nur die Rekonstruktion irgendeiner Filmerbiographie.

utho