: Standbild: Arroganz der Macht
■ Wie ein Steckenpferd ins Staatsministerium kommt - Über die Kultureuphorie des Lothar Späth
(Wie ein Steckenpferd ins Staatsministerium kommt - Über die Kultureuphorien des Lothar Späth, ARD 20.3., 23 Uhr) Der Südfunk Stuttgart produziert ein Porträt Lothar Späths. Mit Schlimmstem hatte ich gerechnet. Aber es kam anders. Susanne Offenbachs Film zeigt zunächst eine Pferdekoppel, ein Schloß, ein Haus, observierende Polizeibeamte, eine grüne Minna. Man ist eingestimmt. Die Autorin zeigt, was sie hat drehen dürfen - Lothar Späth als Laudator der Marcia Haydee, als Auktionator für arme Künstler - und sie zeigt, was zu sehen ich nicht erwartet hatte: den jungen Städteplaner und Produzenten von Wohnwaben Lothar Späth, den Killer der Hochschule für Gestaltung in Ulm, den Mann, der den Krieg gegen Peymann vom Zaun brach.
Besonders gelungen sind im Film die Stellen, wo Späth gezeigt wird, wie er sich gibt. Wenn er das Kunstgewerbe an seinen Wänden zeigt und voller Stolz erklärt, das habe er selbst gesammelt, wenn er metallene Kugelhälften in die Hand nimmt, sie zusammenfügt, seine Patschhändchen darum legt und verzückt den Namen eines Künstlers nennt, den wir alle am besten sofort wieder vergessen, das sind Blicke, die einem die Augen öffnen.
Lothar Späths Kunst, das sieht man in diesem Film, ist die, die man in teureren Möbelgeschäften findet, Dinge also, die geeignet sind, glatte Möbelflächen zu bevölkern oder Wänden über Couchecken einen interessanten Tupfer zu geben. Ich sah das mit Vergnügen. Es tröstet ein wenig, daß man wenigstens was den Kunstgeschmack angeht, dem Herrn überlegen ist.
Susanne Offenbach blieb bei dieser billigen Süffisanz nicht stehen. Sie fragte Späth zu seinen Schandtaten, zum Fall Peymann, zu Ulm. Späth sprach von Fehlern, die man gemacht, aus denen er aber gelernt habe. Das Chaos der Ulmer Hochschule für Gestaltung sei ein kreatives gewesen, das habe er inzwischen verstanden, und nun sehe man, daß einiges vom Ulmer Geist sich in Karlsruhe entfalten könne. Peymann? Ja, Rommel habe recht gehabt. Er, Lothar Späth, habe überzogen. Die Kunst brauche den Freiraum, den man anderen Teilen der Gesellschaft aus „ordnungspolitischen Gründen“ nicht zubilligen könne. Soweit, so halbwegs gut. Aber die Lässigkeit, mit der Ministerpräsident Lothar Späth sich zu seinen Fehlern bekannte und gleichzeitig darauf bestand, daß das alles keine Entlassungsgründe sind, sondern die besten Voraussetzungen auch noch weiter das Sagen zu haben - das rückte nicht nur Lothar Späth ins rechte Bild, sondern zeigte die schamlose, reueunfähige Selbstsicherheit, die grobklotzige Selbstherrlichkeit, die widerliche Arroganz der Macht.
A.W.
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