Stammzellen-Forscherin Wartenberg: "Ein großer Fortschritt"
Die Forscherin Maria Wartenberg fordert eine gesellschaftliche Debatte über die Stammzellforschung.
taz: Frau Wartenberg, Sie haben vor wenigen Tagen die Genehmigung für Ihre Forschung mit embryonalen Stammzellen bekommen. Sind die Zellen schon da?
Maria Wartenberg: Nein, so schnell geht das nicht. Das dauert noch einige Wochen, bis wir anfangen können.
Bislang mussten die embryonalen Stammzellen vor dem 1. Januar 2002 hergestellt worden sein. Konnten Sie mit so alten Zellen arbeiten?
Es gibt eine ganze Reihe von Zelllinien, die den Kriterien der alten Fristenregelung entsprechen und auch noch verwertbar sind. Aber es ist natürlich erfreulich, dass wir künftig auf neuere Zellen zurückgreifen können.
Einige Ihrer Kollegen und auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft haben die vollständige Abschaffung des Stichtags gefordert. Was halten Sie davon?
Die Verschiebung ist ein großer Fortschritt. Mit einer totalen Aufhebung wäre man zu rasant vorgeprescht. Die Bürger, die unsere Forschung finanzieren, müssen an der Diskussion beteiligt werden. Auch sollte man aus Klugheit die eigenen Wünsche als Wissenschaftlerin etwas zurücknehmen können.
Sind die sehr freizügigen Regelungen in Großbritannien für Sie das Vorbild?
So etwas wie die Chimären-Experimente sind abenteuerliche Spielereien, denen jede moralische Grundlage fehlt. Mit unserer Arbeit in Jena hat das nichts zu tun. Unsere Forschungen sind auf Herzinfarkt und Herzmuskelzellen ausgerichtet.
Wo steht die deutsche Stammzellforschung im internationalen Vergleich?
Wir werden oft gefragt: Wo bleiben die Veröffentlichungen aus Deutschland? Es gibt bei uns nicht einmal zwanzig Forschergruppen, die mit embryonalen Stammzelllinien arbeiten.
Liegts am Stammzellgesetz?
Das Genehmigungsverfahren beim Robert-Koch-Institut ist nicht das Problem. Aber um zu forschen, braucht man Geld. Solange die Politik nicht hinter der embryonalen Stammzellforschung steht, hat das Folgen für die Finanzierung. Die Kollegen in den Gutachterausschüssen brauchen positive Signale aus der Politik, damit sie sich trauen, mehr Forschungsprojekte mit embryonalen Stammzellen zu bewilligen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!