: Stammtisch statt Großstadtpolitik
■ Provinzielle Frankfurter Sozialdemokraten ließen Hauff scheitern
Stammtisch statt Großstadtpolitik Provinzielle Frankfurter Sozialdemokraten ließen Hauff scheitern
Den Schwaben scheint es an Stehvermögen zu mangeln. Zwei harmlose Artikelchen im 'Spiegel‘ — und ein Mann wie Lothar Späth wirft als Ministerpräsident von Baden-Württemberg das Handtuch. Und jetzt ist auch noch der Schwabe Volker Hauff vom lukrativen Posten des Oberbürgermeisters der Wirtschaftsmetropole der Republik zurückgetreten: Bei den Rechten und den Linken sah man in den letzten Wochen je einen Schwaben heruntersinken.
Der harte Führungsstil war Hauffs Sache nicht. Vor den streitsüchtigen Läusen im eigenen Pelz flüchtete der harmoniesüchtige Metropolenpolitiker lieber zur gepflegten Wahlverwandtschaft in New York, als sich in Frankfurt in den „Ebbelwoi- Expreß“ zu setzen und die Genossen in den Stadtteilen auf Großstadtlinie zu trimmen. Hauff schwatzte im Schatten der Freiheitsstatue dem Tennisweltverband das Mastersturnier ab, speiste in Tokio mit Spitzenmanagern der japanischen Wirtschaft und hielt in Mailand Vorträge über das Rhein-Main-Gebiet als „Herz Europas“. Währenddessen sägten die bodenständigen Frankfurter Sozialdemokraten, denen der Bundesvorstand der Partei den Günstling Willi Brandts vor die Nase gesetzt hatte, munter am Sessel des gewählten Oberbürgermeisters Volker Hauff. Die karrieresüchtigen Intriganten unter den Genossen vom Main versagten Hauff in wichtigen Politikfeldern die Gefolgschaft und kritisierten öffentlich seine Personalpolitik.
Sie nutzten jede sich bietende Gelegenheit dazu, den Mann spüren zu lassen, daß er in Frankfurt eigentlich nichts zu suchen habe. Hauff wurde ein Opfer der diversen Parteiklüngel und Stammtischrunden, in denen seit Jahren die Politik der Frankfurter SPD „gemacht“ wird — und diese „Politiker“ schreckten offenbar auch vor dem Königsmord nicht zurück.
Nach Hauffs Rücktritt stehen die Sozialdemokraten in der Main-Metropole vor einem politischen Scherbenhaufen. Die von Hauff und seinem Vertrauensmann Martin Wentz gewollte Erneuerung der Partei hin zu einer modernen, der Bevölkerungsstruktur der Stadt der Banken und Werbeagenturen angemessenen Organisation mit der entsprechenden Programmatik, wurde von den provinziellen Biedermännern und Brandstiftern in den eigenen Reihen torpediert.
In dieser Stadtregierung sind offenbar nur noch die Magistrats- und Fraktionsmitglieder der Grünen die Garanten für eine innovative Politik für die Metropole — und ein Hort der politischen Stabilität. Klaus-Peter Klingelschmitt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen