piwik no script img

Stammheimer Schriftstreit

■ Gericht: Es gibt keine weiteren Schriftgutachen im Prozeß gegen Luitgard Hornstein/ Neue Beweisanträge

Stuttgart (taz) — Beim baden-württembergischen Landeskriminalamt liegt kein weiteres, bisher nicht bekanntes Schriftgutachten vor. So lautete die Begründung, mit der den Verteidigern im Stammheimer Prozeß gegen Luitgard Hornstein vom Gericht die nach dem Plädoyer der Bundesanwälte beantragte umfassende Akteneinsicht verweigert wurde. Eigene Erkundigungen des 4. Strafsenats hätten dies ergeben, erläuterte der Vorsitzende Richter Ulrich Berroth den Beschluß. Dabei geht es noch immer um die Frage, wer die Briefumschläge der Bekennerschreiben zum Anschlag auf die am Bodensee gelegene Firma Dornier beschriftet habe. Für die Bundesanwaltschaft (BAW) war auf Grund des Gutachtens des berüchtigten Hamburger Privatgraphologen Hans Ockelmann klar, daß Andrea Sievering die Schreiben adressiert hat. Sie habe zusammen mit der Angeklagten Hornstein in einer „kämpfenden Einheit der RAF“ den Bombenanschlag auf Dornier begangen, folgerte die BAW auch noch in ihrem Plädoyer. Der Verteidigung liegen indes offenbar Informationen vor, daß schon in einem frühen Stadium der Ermittlungen der Schriftexperte des LKA, Dr. Kai Nissen, ein Gutachten erstellt hat, das Andrea Sievering als Schrifturheberin eindeutig ausschließt. Nissen hat in einem anderen Verfahren gegen den Düsseldorfer Rolf Hartung Bedeutung erlangt, indem er als Obergutachter die Arbeitsweise des Graphologen Ockelmann als „methodisch falsch und unwissenschaftlich“ bezeichnete. Einen weiteren Antrag, Nissen als Zeugen zu laden, lehnte das Gericht jedoch ebenfalls ab. Richter Berroth schloß das Thema mit der sybillinischen Äußerung: „Wir müssen neu entscheiden, wer die Briefe beschriftet hat.“

Mit neuen Beweisanträgen verlangten anschließend die Verteidiger, Zeugen zu der Frage zu hören, ob auf einem Campingplatz am Bodensee das Fahrzeug gesehen wurde, in dem später die Bombe auf dem Firmenparkplatz der Dornierwerke abgestellt wurde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen