: Stallgeruch und Stadionneubau
Altona 93 steigt in die Regionalliga Nord auf. Nun soll der Verein wachsen. 2026 muss er sein altes Stadion verlassen, das neue wird aber erst 2029 fertig
Von Martin Sonnleitner
Ragnar Törber sieht wieder einigermaßen erholt aus. Er sitzt in einem Café in Hamburg-Ottensen und berichtet von aufregenden Momenten nur zwei Tage zuvor: Er sei „um 20 Jahre gealtert“. Unverhofft und auf dem letzten Drücker hatte sein Verein Altona 93 (AFC) durch ein 2:0 in Verden gegen die FSV Schöningen noch den Aufstieg in die Regionalliga Nord geschafft – weil die Konkurrenz parallel patzte. Der 50-jährige Architekt ist der Strippenzieher beim AFC.
„Es ist nicht unsere Pflicht gewesen aufzusteigen, die Welt wäre sonst nicht untergegangen“, versichert Törber, offiziell zweiter Vorsitzender. Bereits im Vorjahr war der AFC in der Aufstiegsrunde gewesen, am Ende aber gescheitert. Es folgte eine grandiose Spielzeit in der Oberliga, am Ende holte sich Altona den ersten Platz in der Tabelle und die Hamburger Meisterschaft.
„Unser Ziel ist ein langsames Wachstum, das heißt, in drei bis vier Jahren einen Platz in der Regionalliga zu festigen“, sagt Törber. Alle Verträge beim AFC haben sowohl in der Regionalliga als auch in der Oberliga Bestand. Finanziell rechne man mit einer schwarzen Null. Wo früher vieles vom jahrzehntelangen Hauptsponsor und ersten Vorsitzenden Dirk Barthel mit seiner Firma für Schiffsarmaturen abhängig war, reihen sich heute neben die S-Bahn Hamburg vor allem lokale Sponsoren als Geldgeber ein.
Nun müssen der Vorstand und das Trainerteam um Chefcoach Andreas Bergmann den Sprung hinein ins Halbprofitum moderieren. Es wird Gegner geben, die zweimal am Tag trainieren. Der AFC will mit Geschlossenheit und Willen kontern, Törber rechnet mit einem Kampf gegen den Abstieg. Beim AFC verabschieden sich Spieler, die nicht viermal die Woche auf dem Niveau trainieren können, einige werden Vater, andere haben Jobverpflichtungen. Dennoch will „93“ keine Fahrstuhlmannschaft sein.
Sportlich würde sich verändern, dass man nun über die Landesgrenze hinaus Fußball spielen und gesehen werde. Gerade die außergewöhnlichen Fans, die meist mit einem Tross von mehreren Hundert Leuten mitfahren, sind hierbei das Salz in der Suppe. Die Oberliga-Meisterschaft haben sie kürzlich noch nach einem Auswärtsspiel auf einem Schulsportplatz gefeiert, nun geht es mit Meppen, Oldenburg und den beiden Lübecker Klubs gegen die Beletage des norddeutschen Amateurfußballs.
Die Formulierung „dritte Kraft“, mit der der AFC in Nähe der beiden Profivereine Hamburger SV und FC St. Pauli gehievt werden soll, ist hier allerdings unbeliebt. Es geht um gelebte Nähe statt Eventisierung. Bei AFC-Heimspielen stehen Punks neben Bankangestellten und dem Schiffsreeder, Oma und Enkel. Der Zuschauerschnitt betrug in der Hauptsaison 1.500. In der Aufstiegsrunde gegen die SV Hemelingen waren 4.744 Zuschauer da.
Ein weiteres Großprojekt liegt dreieinhalb Kilometer nordöstlich der Adolf-Jäger-Kampfbahn (AJK). Das alte Stadion wurde bereits vor 2007 weit unter Wert verkauft. Ende 2026 muss der Verein nun die AJK verlassen. Dort sollen danach mehr als 350 Wohnungen entstehen. Das neue Stadion wird aber frühestens 2029 fertig sein. Man sei mit der zuständigen Baufirma über eine Nutzungsverlängerung des alten Stadions in guten Gesprächen, ist Törber optimistisch.
Ins neue Stadionareal, wo die Stadt Besitzer ist, kaufte sich Altona 93 mit knapp zehn Millionen Euro noch vom alten Stadionverkauf als Betreiber der Regionalliga-tauglichen Spielstätte für rund 5.000 Zuschauer ein. Das Stadion ist ein Hybrid-Modell, mit üppig begrünten Terrassen und einem Sockel aus Backstein, Platz für Büros, Kita, angrenzen soll eine riesige Konzerthalle.
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