: Stahlkocher warnen
■ Arbeitgeber für weniger Lohnfortzahlung, niedrigere Einsteiger-Gehälter und ertragsabhängiges Urlaubsgeld
Rund 500 Stahlkocher sind gestern morgen zwei Stunden lang zum Warnstreik vor das Verwaltungsgebäude der Bremer Hütte gezogen. Ihr Protest richtete sich gegen das Arbeitgeber-Angebot in den Tarifverhandlungen, die gestern nachmittag in Essen für die rund 100.000 Stahlarbeiter in Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen fortgesetzt wurde. Die IG Metall verkündete in ihrer Pressemitteilung, 2.000 Stahlwerker hätten sich an der Aktion beteiligt, doch so viele Beschäftigte kommen in dem Fünf-Schicht-Betrieb überhaupt nicht mehr zusammen. Schließlich wurde die Belegschaft der Bremer Hütte seit der Ablösung aus dem Klöckner-Konzern von einst 7.000 auf rund 4.300 reduziert.
Die Arbeitgeber hatten bisher 1,3 Prozent mehr Lohn angeboten. Die Anhebung soll allerdings im ersten Monat noch nicht, dafür aber 15 Monate statt ein Jahr gelten. Effektiv ergäbe dies eine Steigerung um weniger als 1,1 Prozent. Die IG Metall hatte dagegen 4,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt gefordert, schließlich habe Stahl im vergangenen Jahr eine gute Konjunktur verzeichnet.
Auf größere Empörung als das Angebot beim Lohn sind unter den Stahlkochern allerdings die Forderungen gestoßen, die die Arbeitgeber zusätzlich im neuen Tarifvertrag unterbringen wollen. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall soll sich danach nicht mehr am durchschnittlichen Lohn einschließlich aller Zuschläge orientieren, sondern Überstundenzuschläge unberücksichtigt lassen. Im Extremfall bekommen Beschäftigte bisher an manchen Tagen mehr Geld für einen Krankheitstag als wenn sie arbeiten würden.
Die IG Metall betrachtet das Anliegen der Arbeitgeber jedoch als ersten Schritt zu weitergehenden Angriffen auf die auch in Bonn umstrittene Lohnfortzahlung, die schon im Vorfeld verhindert werden müßten. Die Anrechnung von Zuschlägen könne auch dadurch vermieden werden, daß Überstunden abgebaut werden. Allerdings ist die Bremer Hütte bereits heute das Stahlwerk mit den wenigsten Überstunden in Deutschland.
Einen Angriff auf gewerkschaftliche Grundsatzpositionen sieht die IG Metall auch in der Arbeitgeberforderung, für Neueingestellte und übernommene Azubis im ersten Jahr den Lohn auf 90 Prozent abzusenken. Und abgelehnt wird von der Gewerkschaft auch die Forderung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht mehr mit einer konkreten Summe im Tarifvertrag festzulegen, sondern je nach Konjunkturlage zwischen 110 und 80 Prozent mit dem Betriebsrat frei auszuhandeln. „Mit so einer Regelung könnten uns die Arbeitgeber mächtig unter Druck setzen“, fürchtet Stahlwerk-Betriebsrat Eike Hemmer. Schließlich sei für die Arbeitnehmervertreter die aktuelle Ertragslage ihres Unternehmens kaum nachzuprüfen.
Erst im März war für die Stahlindustrie ein eigener Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung unter dem Motto „Bündnis für Arbeit“ abgeschlossen worden. Zentraler Punkt ist darin der Zwang, Überstunden ab der 17. Stunde im Monat abzufeiern. Bis zur neunten Stunde dürfen die Beschäftigten zwischen Geld und Freizeit wählen. Dadurch hat es auf der Bremer Hütte zwar nur rund 40 Neueinstellungen gegeben. Immerhin konnten jedoch alle Azubis eine Übernahmegarantie für sechs bis zwölf Monate bekommen.
In den Tarifverhandlungen in Essen sind Bremer auf beiden Seiten vertreten. Vorstandschef Klaus Hilker gehört zur Verhandlungsdelegation von Gesamtmetall und der Betriebsratsvorsitzende Michael Breitbach zur großen Tarifkommission der IG Metall. Ase
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