Stadtplanung: Angst vor der Sperrzone
An den Humboldthafen könnte ein Bundesministerium ziehen - es wäre das Ende des geplanten öffentlichen Raums, fürchtet der Bezirk Mitte.
Als "Juwel im Zentrum", das sich als "guter Nachbar dem Hafen und der Stadt öffnet", beschreibt Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) den Humboldthafen. In welchem Maße die Öffentlichkeit von dem Juwel profitiert, ist fraglich: Nach Informationen von Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) soll am Humboldthafen ein Bundesministerium angesiedelt werden. Gothe fürchtet, dass die Umgebung des Areals ähnlich wie um das geplante Innenministerium abgeriegelt wird. "Der Spreebogen wird zum Beamtenghetto", schimpfte der Stadtrat am Freitag.
Nach Recherchen der taz dürfte es sich um das Bundesgesundheitsministerium handeln, das derzeit an der Friedrichstraße und der Mohrenstraße residiert und nach einem dauerhaften Standort sucht. Seitens des Ministeriums wiegelte man indes ab: Es stimme zwar, dass der Standort Humboldthafen einer von mehreren im Gespräch sei, sagte Sprecherin Ina Klaus. "Es ist aber noch gar nichts entschieden." Die zuständige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) war am gestrigen Freitag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Das Grundstück liegt am östlichen Ufer des Humboldthafens, am Alexanderufer. Die gut 5.500 Quadratmeter große Brache gehört dem niederländischen Investor OVG Real Estate dessen Projektleiter am Freitag ebenfalls nicht zu erreichen war. Die bisherigen Landesplanungen weisen die Fläche als "Kerngebiet" aus - damit könnte auch ein Bundesministerium einziehen. Baustadtrat Gothe hat formal wenig in der Hand, um eine solche Nutzung zu verhindern. "Ich möchte eine politische Debatte lostreten", sagte er und verwies auf die drohende einseitige Nutzung am Spreeufer.
Erzürnt hatte Gothe bereits die Sperrung eines öffentlichen Weges zu Gunsten des künftigen Innenministeriums in Moabit. Er argumentiert, dass der Bund ausreichend Flächen in der Stadt habe - da müsse er nicht Kernstücke für die Öffentlichkeit wie am Humboldthafen besetzen und der Gegend "urbanes Lebensgefühl" rauben. "Die restlichen Bonner Ministerien könnten zwei Mal hier Platz finden, so viele Grundstücke hat der Bund", so Gothe. Er fordert ein Nutzungskonzept vom Bund für diese Flächen, um Planungssicherheit zu haben.
Wenn Büros an diesen Ort kommen, sollen zumindest die Erdgeschossflächen der Öffentlichkeit zugute kommen - der Bezirk denkt an Restaurants, Cafés und Geschäfte. Projektentwickler OVG wirbt auf seiner Website lediglich mit der "größtmöglichen Büroflexibilität", und dass es "das grünste Bürogebäude" Deutschlands werden soll.
Die Flächen direkt am Humboldthafen gehören vor allem dem Liegenschaftsfonds. Der verkauft sie nach und nach im Auftrag des Landes - so auch an den niederländischen Investor. Um die bauliche Qualität zu sichern, sollen Architekturwettbewerbe für geplante Bauten verbindlich sein. Grundsätzlich ist an eine Mischnutzung gedacht. Großflächige Wohnbebauung ist aus Lärmschutzgründen nicht möglich. Die Deutsche Bahn hat die Gleise am Hauptbahnhof nicht ausreichend überdacht, das Land Berlin eine Klage dagegen verloren. Der Bahn ist die Verlängerung des Dachs zu teuer.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Forscher über Einwanderungspolitik
„Migration gilt als Verliererthema“
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte