Stadtmitte: Mit unseren Zähnen müssen wir zubeißen
■ Frauenvertreterinnen ziehen Bilanz des Berliner Landesgleichstellungsgesetzes
Seit über drei Jahren ist das Berliner Landesgleichstellungsgesetz gültige Rechtslage, seine Umsetzung gelingt aber nicht im Selbstlauf. Die hauptberuflichen Anwenderinnen des LGG, die gewählten Frauenvertreterinnen, haben die Rolle der Einzelkämpferinnen, Einmischerinnen, Widersprecherinnen und Aufpasserinnen im Interesse der Frauen in der Dienststelle. In der Situation des Neuanfangs benötigten sie kreative Überzeugungskraft, Zähigkeit und vor allem gute Nerven.
Damit die Dienststelle ihren Spielraum zugunsten von Frauen nutzt und sich ihrer eigenen Verpflichtung zur Frauenförderung bewußt wird, muß jedes Statement wie „Das machen wir schon immer so“ hinterfragt werden: Und was ist dabei für die Frauen herausgekommen? Die Tätigkeit der Frauenvertreterinnen umfaßt neben der Beratung von Kolleginnen und der Beteiligung an allen personellen Maßnahmen der Dienststelle gerade auch Stellungnahmen zu strukturellen Veränderungen oder Richtlinien. Der Bewegungsspielraum ist dabei in jeder Dienststelle unterschiedlich. Während in einigen das LGG noch immer nicht bekannt ist, wird die Frauenvertreterin in anderen freundlich geduldet. Die Arbeitsgrundlage, nämlich die Freistellung der Frauenvertreterin und die Ausstattung ihres Büros, muß einzeln ausgehandelt werden. Das Gesetz läßt zuviel offen.
Im Zuge der Verwaltungsreform werden die Karten für die Interessenvertretung von Frauen neu gemischt. Es ist zu befürchten, daß das persönliche Verhältnis zwischen Kolleginnen und der Frauenvertreterin in Mammutbehörden wie dem geplanten Landesschulamt mit über 40.000 MitarbeiterInnen Schaden nimmt und nicht nur die Dienstbehörde, sondern auch die Frauenvertreterin ihrem gesetzlichen Auftrag nicht mehr nachkommen kann.
So ist die Bilanz der Frauenvertreterinnen über die Erfüllung von Hoffnungen und Befürchtungen, die sich mit dem Gesetz verbanden, zwiespältig. In immerhin 150 Dienststellen gibt es Frauenvertreterinnen und mit ihnen ein völlig neues frauenpolitisches Netz zu den Kolleginnen an ihrem Arbeitsplatz – ein völlig neuer Weg für die Beratung, Information und Unterstützung von Frauen. Durch die Beteiligung der Frauenvertreterin an Einstellungen und Beförderungen wird die Intimität früherer Bewerbungsrunden aufgehoben und werden die Entscheider zu einem nachvollziehbaren, begründeten Vorgehen gezwungen.
Nur bedeutet dies noch nicht, daß die gleichwertig qualifizierte Bewerberin für Leitungsfunktionen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, auch wirklich genommen wird. Denn das LGG sieht keine Sanktionen bei Gesetzesverstößen vor. Daher ist das LGG wahrscheinlich das Gesetz, gegen das in der Berliner Verwaltung am häufigsten verstoßen wird. Die Novellierung des Gesetzes ist dringend erforderlich. Monika Dobkowitz
Die Autorin ist Frauenvertreterin in der Abteilung Volksbildung in Tempelhof
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