■ Stadtmitte: Nicht mein Gott: Walter
Bild war, wie immer, von Beginn an dabei. Deshalb auch zu Recht die Headline „Bild-Leser wußten es zuerst“: Walter Momper tritt wieder an. Da taz-LeserInnen leider nie wissen, was Bild-LeserInnen wissen – und umgekehrt –, sei der Vorgang etwas Bild-untypisch, also ausführlich, dargestellt. Nicht nur, daß Bild vor den SPD-Gremien Bescheid wußte, die Bild-LeserInnen stimmten auch schon zwei Monate vor den UrsozialdemokratInnen per TED ab: 68 Prozent für Stahmer, 31 Prozent für Momper. Bild: Au weia!
Das Ergebnis kommt nicht nur daher, daß sich viele im Abgeordnetenhaus – quer durch alle Fraktionen – am TED-Telefon die Finger wundgetippt haben. Denn Scherben und offene Rechnungen pflastern Mompers Weg. Aber wer sagt uns, daß UrsozialdemokratInnen so vernünftig sind wie Bild-LeserInnen?
Angeblich schreit doch der Wähler, besonders im Osten, nach dem starken Mann. Parteibuch, siehe Biedenkopf und Stolpe, ist dabei völlige Nebensache. Hatte deshalb nicht auch der Alt-SDSler Tilman Fichter, dessen größte Sorge es früher war, die rote Fahne auf dem Otto- Suhr-Institut hissen zu dürfen, die Kandidatur Edzard Reuters mit dem vor allem für ÖkologInnen bemerkenswerten Satz einfädeln wollen: „Der ist eine Handgranate im Fischteich“? Jetzt ist ewige Ruhe im Biotop. Nachdem es mit der Handgranate nichts wurde, soll nun also der hauseigene Mörser aus dem Keller geholt, entrostet und geölt werden.
Walter Momper hatte, wie Helmut Kohl, beim Mauerfall einfach Glück: Beide regierten gerade. Daß er nachweislich nichts für den Fall getan hatte, kompensierte Momper mit dem Durchschreiten sämtlicher sich auftuender Mauerlücken. Er stieg auf den Zug der Einheit drei Monate vor dem Koalitionspartner AL. Dadurch wenigstens noch der vorletzte Rang für die Sozis. Aber irgendwie kennt man ihn seitdem aus dem Fernsehen. Glatze, roter Schal und Mauerfall sind Synonyme. Bild – und Bilderdemokratie.
Die SPD-Urabstimmung wird auch zeigen, ob in dieser Partei die Halbwertszeit bei Rücktritten inzwischen die zwei Jahre der Möllemann-FDP erreicht hat. Weil: Bei Momper, da war doch noch was? Die Frage, ob denn Bauen Sünde sein kann, stelle sich gar nicht, meint der Kandidat. Er baue ja gar nicht. Er löwt auch nicht, und ganz so jung ist er auch nicht mehr. So werden wir uns von dem liebgewordenen Attribut „Jungbaulöwe“ wohl verabschieden müssen. Gebaut, wenn auch nur etwas neben dem Aufstellen von Asylcontainern, hat allerdings Miß Ellie aus der „Abendschau“. Auch schon mal Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt. Aber Walter ist ja nun selbständig. Ein Projektentwickler, zur Zeit beschäftigt mit der Entwicklung des Projektes „Ich werde Regierender Bürgermeister“.
P.S.: Machtwille ist ja – siehe Schröder – mitentscheidendes Abstimmungskriterium. Deshalb der Wahrheit halber folgende Beachtung: Dienstag Verkündung der Kandidatur, Mittwoch bereits ein Auftreten als Regierender frisch aus dem Kyffhäuser, auf der Oberbaumbrücke, beim mehrfachen Durchschreiten des Tores mit Scharping, im Jüdischen Gemeindehaus, wo noch der Kranz des Erzbistums Berlin herhalten mußte. Der Bischof war nicht da, ganz anders als Walter Momper. Wolfgang Wieland
Der Autor ist Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.
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