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StadtgesprächAir Cocaïne

Zwei französische Piloten werden in Santo Domingo verurteilt – und fliehen nach Frankreich

Rudolf Balmer aus Paris

Zweifellos wird die abenteuerliche Flucht von zwei französischen Piloten aus der Dominikanischen Republik eines Tages verfilmt werden. Wer dann im Thril­ler die Guten und die Bösen oder Helden sind, scheint hingegen weniger klar festzustehen. Vorerst beschäftigt die Geschichte der beiden ehemaligen Militärpiloten Pascal Fauret und Bruno Odos seit Tagen die französische Öffentlichkeit.

Die beiden standen schon im Rampenlicht, als sie im August in Santo Domingo wegen Drogenhandels zu 20 Jahren Haft verurteilt wurden. Nach 15 Monaten Untersuchungshaft befanden sie sich in Erwartung einer Berufungsverhandlung nicht mehr im Gefängnis, sondern sie standen unter Hausarrest – und nutzten diesem Umstand, um nach Frankreich zu verschwinden. Weil aus französischer Perspektive viele Aspekte unklar bleiben, wird spekuliert, und jeder hat seine eigene Version. Schuldig oder nicht schuldig, das bleibt die Frage, seitdem die beiden Verurteilten sich abgesetzt haben und unverhofft an der Seite ihres Anwalts in Lyon vor den Medien aufgetreten sind.

Wer kennt nicht selber diese heimliche Angst, dass bei einem Heimflug aus einem fernen Reiseland die Zöllner Drogen im eigenen Gepäck entdecken, die dort Unbekannte versteckt haben, oder dass gar der Koffer vertauscht wurde, um die Identität eines harmlosen Touristen für den Transport von Waffen oder Rauschgift zu missbrauchen? Wie kann in solchen Fällen die Unschuld bewiesen werden? Auf einen solchen Missbrauch ihres Vertrauens und ihrer Gutgläubigkeit berufen sich die beiden französischen Piloten. Nur geht es in ihrem Fall um Kokainhandel im großen Stil.

„Air Cocaïne“ nennen die französischen Zeitungen ironisch die private Fluggesellschaft, für die Fauret und Odos mit zwei Passagieren und viel Gepäck über den Atlantik fliegen sollten. Ähnliches hatten sie schon früher pro­blem­los übernommen. Doch am 19. März 2013 durften sie nicht starten. Im Gepäckraum des „Falcon 50“-Jets waren 680 Kilogramm Kokain entdeckt worden. Die Piloten und die beiden französischen Passagiere wurden verhaftet. Die dominikanische Polizei und die Regierung waren stolz auf ihren Schlag gegen internationale Dealer. In Frankreich dagegen bildeten sich zwei Parteien: Für die meisten steht fest, dass die Piloten unschuldig sein müssen, weil sie doch nicht für den Inhalt des Gepäcks verantwortlich seien. „Seit 15 Jahren transportiere ich jeden Tag Passagiere mit Gepäck. Ich habe doch niemals in die Koffer geschaut“, argumentiert in diesem Sinne der 55-jährige Pascal Fauret, der wie sein Kollege Bruno Odos, 56, als Militärpilot mit Orden ausgezeichnet worden war. Die Skeptiker aber nehmen es den beiden Fliegern nicht ab, dass sie so naiv waren, wie sie sich geben. Und ist nicht die von dubiosen Profis mit großem Aufwand organisierte Flucht via Martinique ein Beweis dafür, dass sie keine reine Weste haben?

Das ist auch die Meinung der dominikanischen Justizbehörden, die einen internationalen Haftbefehl gegen die Flüchtigen erlassen haben und in Paris protestieren. Frankreich liefert keine Staatsangehörigen aus.

Eine undurchsichtige Rolle als Fluchthelfer spielte der rechtsextreme FN-Europaabgeordnete Aymeric Chauprade. Er brüstet sich damit, bei einem Besuch in Santo Domingo im Auftrag der Familien die Piloten über ihre bevorstehende „­Heimkehr“ informiert zu haben.

Nicht zuletzt wird diesen jetzt auch vorgeworfen, sie hätten ihre beiden Schicksalsgenossen sehr unpatriotisch im Stich gelassen: die Passagiere Alain Castany, ebenfalls ein Exmilitär, der nach einem schweren Verkehrsunfall in Santo Domingo im Krankenhaus liegt, und Nicolas Pisapia.

Fauret und Odos halten sich laut ihrem Anwalt der französischen Justiz zur Verfügung. Eine Auslieferung brauchen sie nicht zu befürchten. Die Diskussionen über ihre eventuelle Beteiligung am Drogenhandel und die Spekulationen über die Umstände ihrer Flucht gehen weiter.

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