Stadtgespräch: Grüner wird’s nicht
In San José glaubT KAUM JEMAND daran, dass Costa Rica bis 2021 klimaneutral wirtschaften wird
Knut Henkelaus San José, Costa Rica
Der Förster Guillermo Alvarado lenkt seinen Pick-up auf den Paseo Colón im Zentrum von San José und freut sich, dass er freie Fahrt hat. „Normalerweise ist der Paseo fast immer dicht“, sagt der 27-Jährige und tritt sanft aufs Gaspedal.
„In den letzten Jahren ist die Verkehrssituation in San José immer chaotischer geworden. Es gibt immer mehr Autos, aber keine modernen Verkehrsalternativen“, moniert der Mann, der im Norden Costa Ricas in einem Aufforstungsprojekt arbeitet. Dort wird auf mehreren tausend Hektar tropischer Mischwald angelegt. „Wir wandeln Weideland in bewirtschafteten Wald um und leisten einen Beitrag zum Klimaschutz.“
Alvarado ist stolz, dass Costa Rica die bewaldeten Flächen seit den 1980er Jahren quasi verdoppelt hat. „Rund 52 Prozent Costa Ricas ist heute von Wald bedeckt.“ Dabei spielen die Flächen, wo Edelhölzer wie Teak oder Mahagoni in langen Reihen stehen und nach fünfzehn oder mehr Jahren geschlagen werden, allerdings keine unwesentliche Rolle.
Das macht sich positiv in der Emissionsbilanz bemerkbar und kommt der Regierung zugute. Die hat schließlich 2007 in Person des damaligen Präsidenten Óscar Arias das ehrgeizige Ziel ausgegeben, 2021 klimaneutral zu sein.
Laut Arias wollte man das mit der Stilllegung von mit Diesel und Schweröl laufenden Kraftwerken, der Förderung des Einsatzes von Autos und Bussen mit Hybridantrieb und durch die Senkung von Emissionen in der Landwirtschaft und Industrie erreichen. Doch bis jetzt ist von den einst in Aussicht gestellten Hybridbussen nichts zu sehen.
Jeden Tag verstopfen rund 2.500 Busse, oft mehr als dreißig Jahre alt, San José – Innovation sieht anders aus und wer es sich leisten kann, nimmt genervt das eigene Auto.
Als 2010 das mit Schweröl laufende 200 Megawatt Kraftwerk Garabito ans Netz ging, reagierten umweltbewusste Costa Ricaner nur noch mit Sarkasmus. Mit beißendem Spott wurde auch der Umwelt- und Energieminister René Castro Salazar bedacht, als er Ende 2014 behauptete, Costa Rica habe schon 81 Prozent des Weges bis zur Klimaneutralität hinter sich. Niemand weiß, wie der Minister auf die Zahl kam, denn es gibt kein Monitoringsystem und keine transparenten Berechnungsmodelle.
Soledad Castro, Beraterin bei einer Umweltorganisation, ist eine der wenigen, die sich im Alltag von San José mit dem Fahrrad unterwegs zu sein traut. Fahrradwege sind ähnlich rar wie Hybrid- oder Elektroautos. „Die einst von Arias angekündigten Steueranreize hat es nie gegeben“, ärgert sich René Diers, deutscher Manager eines Biobetriebs in Puntarenas.
Was bleibt sind die Aufforstungsprojekte und die sind wenig mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Das wissen auch die Verantwortlichen der regierenden Bürgeraktionspartei (PAC). Sowohl Präsident Luis Guillermo Solís als auch seine Umweltberaterin Patricia Madrigal haben sich 2014 im Wahlkampf für einen Aufschub bei der Umsetzung der Klimaneutralität ausgesprochen. Bis wann, haben sie aber nicht gesagt.
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