Stadtgespräch Simone Schlindwein aus Kampala: Halb Kampala sitzt auf gepackten Koffern. Wegen Ebola könnten Weihnachtsbesuche dieses Jahr ausfallen
Meine Familie habe ich seit einem Jahr nicht gesehen“, seufzt Susan Atumani. Sie wirkt besorgt. Wie so viele Ugander weiß sie noch nicht, ob sie über die Feiertage in ihr Heimatdorf im Norden des Landes reisen darf, um mit ihren Verwandten Weihnachten zu verbringen. „Die Unsicherheit macht mich nervös“, sagt sie. Die 24-Jährige sitzt in der Hauptstadt quasi auf gepackten Koffern: Sie hat sich beim Friseur die Haare neu flechten lassen. Sie hat Geschenke für ihre Neffen und Nichten gekauft. Sie hat ihr ganzes Erspartes von ihrem Job als Haushälterin zurückgelegt, um es ihrer kranken Mutter zu bringen. Doch ob sie tatsächlich Ende nächster Woche im Bus in den Norden sitzt, ist noch nicht klar.
In Ugandas Hauptstadt Kampala herrscht Anspannung. Alle fiebern dem Tag entgegen, an dem die Gesundheitsbehörden Entwarnung hinsichtlich des Ebola-Ausbruchs geben. Über zwei Wochen ist es her, dass der letzte Patient positiv getestet wurde. 21 Tage beträgt die Inkubationszeit des tödlichen Virus, das hämorrhagisches Fieber auslöst und die Betroffenen aus sämtlichen Körperöffnungen zu Tode bluten lässt. Insgesamt wurden in Uganda seit dem Ausbruch im September 141 positive Fälle bestätigt. 55 Menschen starben, darunter kleine Kinder.
Erst nach 42 Tagen ohne neue Fälle – also doppelt so lang wie die Inkubationszeit – erklärt die internationale Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Ausbruch offiziell für beendet. Das wird wohl erst im Januar der Fall sein. Doch sobald die Inkubationszeit vorüber ist, haben die ugandischen Gesundheitsbehörden angekündigt, werden sie die derzeitigen Vorkehrungen lockern und die Ugander dürfen über Weihnachten ihre Verwandten besuchen.
Ende November, als fast täglich neue Fälle bekannt wurden, hatte Gesundheitsministerin Ruth Aceng angedroht, dass sie für die Weihnachtsferien landesweite Reisebeschränkungen einführen würde, damit sich das Virus nicht weiterverbreiten kann. Einen solchen Lockdown hatten die Ugander bereits zu Coronazeiten erlebt. Vor allem für die rund zwei Millionen Ugander in der Hauptstadt Kampala wäre das eine Tragödie. Die meisten stammen nicht von hier, sondern sind – wie Haushälterin Atumani – zum Arbeiten hier. Viele können sich eine Heimreise zu ihren Familien nur einmal im Jahr leisten – meist zu Weihnachten.
In Ugandas Hauptstadt hat sich die Ebola-Panik, die im Oktober und November vorherrschte, bereits gelegt. Kaum jemand trägt mehr eine Schutzmaske. Doch in den beiden Verwaltungsbezirken Mubende und Kassanda, wo das tödliche Virus im September ausbrach und sich rasch verbreitete, herrscht nach wie vor strikter Lockdown. Selbst Taxifahrer dürfen die Bezirke nicht verlassen. Ab 19 Uhr herrscht Ausgangssperre. Hier wird die 42-Tage-Frist eisern durchgezogen. Weihnachten müssen die Bewohner dieser Bezirke wohl zu Hause verbringen. Dagegen gibt es bereits Proteste.
Anfang Dezember hat die Regierung sämtliche Schüler landesweit vorzeitig in die Weihnachtsferien entlassen, um das Ansteckungsrisiko zu reduzieren. Viele Kinder haben sich in den zahlreichen Internaten des Landes infiziert, wo zum Teil Hunderte Schüler dicht gedrängt in Schlafsälen übernachten. Seitdem sind die Ansteckungszahlen fast auf null zurückgegangen.
Internationale Hilfswerke wie Ärzte ohne Grenzen warnen nun davor, die Vorsichtsmaßnahmen frühzeitig zu lockern. Es bestehe ein großes Risiko, dass nicht alle Ansteckungsketten zurückverfolgt wurden und den Gesundheitsbehörden vereinzelte Fälle nicht bekannt sein könnten. Den Daten des Gesundheitsministeriums zufolge wurden nur etwa 64 Prozent der Kontaktpersonen eines Falles weiterverfolgt, was auf Lücken hinweist.
Ärzte ohne Grenzen ist „besorgt“, dass es bald einen neuen Anstieg geben könnte, wenn sich über die Feiertage zu viele Familien in den Armen liegen.
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