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StadtgesprächMichael Braun aus RomZingaretti gegen den Rest: Wer darf wann Italiener sein oder werden?

So kennt man Nicola Zingaretti eigentlich nicht. Als er am vergangenen Sonntag in Bologna auf dem kleinen Parteitag der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) die Programmlinien skizzierte, die er in der Regierungskoalition mit den Fünf Sternen verfolgen will, brüllte der Parteivorsitzende – gewöhnlich ein Mann der ruhigen Töne – förmlich eines der ihm wichtigen Anliegen heraus. „Das Ius soli und das Ius culturae sind eine klare Richtungsentscheidung der Partei“, schrie er in den Saal, und die Delegierten dankten es ihm mit stürmischem Applaus.

Es geht um nicht weniger als die einschneidende Reform des italienischen Staatsbürgerrechts: In Zukunft sollen, wenn es nach Zingaretti und der PD geht, die Kinder von Migranten, die in Italien geboren oder dort aufgewachsen sind, die italienische Staatsbürgerschaft erhalten.

Von immerhin einer Million minderjähriger junger Menschen ist da die Rede: von den Töchtern und Söhnen der in den letzten Jahrzehnten gekommenen Einwanderer. Bisher können sie den italienischen Pass erst beantragen, wenn sie den 18. Geburtstag hinter sich haben. Zingaretti dagegen will, dass sie schon als Minderjährige die Staatsbürgerschaft erwerben können, wenn sie in Italien geboren sind und wenigstens einer die beiden Eltern einen festen Aufenthaltsstatus im Land hat (Ius soli) oder wenn sie in Italien einen fünfjährigen schulischen Zyklus – die Grund- oder auch die Oberschule – abgeschlossen haben (Ius culturae).

Lega-Chef Matteo Salvini erklärte, die Italiener wüssten jetzt, „was sie bei der PD bekommen“. Er versprach „Barrikaden im Parlament“, wenn die PD dort ihr Reformvorhaben auf die Tagesordnung setzen werde.

Doch auch Luigi Di Maio, Chef der Fünf-Sterne-Bewegung und Außenminister, ließ seine Koalitionspartner abblitzen. Sogar Zingarettis Parteifreund Stefano Bonaccini, Gouverneur der Emilia-Romagna, ging auf Distanz. Bonaccini will seine Wiederwahl in zwei Monaten nicht durch heikle Themen wie die Staatsbürgerschaftsfrage gefährden. Dabei hätte ihm ein Blick in die Meinungsumfragen helfen können. Stolze 67 Prozent der Italiener begrüßen die von Zingaretti vorgeschlagene Reform des Staatsbürgerrechts. Bei den PD-Wählern sind es gar 93 Prozent – unter den Lega-Anhängern aber immerhin noch 46 Prozent.

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