Stadtentwicklung: Kein einig Mauerpark
Am Tag des Mauerfalls diskutieren Senat und Betroffene über die Zukunft des Parks, dessen Westseite mit Wohnungen bebaut werden soll. Von einer Einigung sind sie weit entfernt - historisches Datum hin oder her
Nach Feiern war den geladenen Gästen und Mitgliedern im Stadtentwicklungsausschuss am Jahrestag des Mauerfalls nicht zumute: Schließlich stand der Mauerpark auf der Tagesordnung, der nun wirklich kein Glanzlicht deutsch-deutscher Wiedervereinigung ist. Noch immer ist er nicht fertig, und über seine künftige Gestalt ist heftiger Streit entbrannt - zwischen Ost und West, zwischen Bezirk und Senat, Bürgern und Politikern.
Im Kern dreht es sich um die Frage, ob der ehemalige Mauerstreifen zwischen den Bezirken Mitte und Pankow bebaut werden soll. "Die gesamtstädtische Vision wird aus den Augen verloren", wetterte der Stadtentwicklungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Thomas Flierl, gegen entsprechende Pläne von Mittes Bezirksstadtrat Ephraim Gothe (SPD). Und sein Parteifreund Michael Nelken, Stadtentwicklungsstadtrat in Pankow, erklärte: "Das öffentliche Interesse steht gegen die geplante Wohnbebauung." Ökologische, soziale und kulturelle Gründe sprächen gegen den geplanten Gebäuderiegel, der sich von der Bernauer Straße über die Gleimstraße hinweg bis zu den S-Bahn-Gleisen ziehen soll.
Für die Befürworter der Bebauung sprach bei der Anhörung nur Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Der zuständige Stadtrat von Mitte, Ephraim Gothe, ließ sich entschuldigen. Er wolle die Pläne zunächst Ende November seinem Ausschuss im Bezirk vorstellen, bevor er sich öffentlich äußert. Die diskutierte Parkgestalt sei ein "guter Kompromiss vor Ort", lobte Junge-Reyer ihren Kollegen. Es werde Wohnen in zentraler Lage möglich, zugleich werde der Park weiterentwickelt. Gleichwohl verwies die Senatorin darauf, dass im Bezirk noch beraten werde.
Der Mauerpark wurde von der Allianz Umweltstiftung Anfang der Neunzigerjahre mit 4,5 Millionen Mark finanziert. Maßgabe war, dass das Grün bis 2010 auf eine Größe von zehn Hektar anwächst. Andernfalls müsste das Land Berlin das Geld an die Stiftung zurückzahlen. Bislang hat der Park eine Fläche von 8 Hektar. Die Erweiterungsflächen sollen laut Gothes Plänen vom Projektentwickler Vivico kommen, dem das Gewerbegebiet auf der Weddinger Seite gehört. Der zwischen Bezirk und Vivico ausgehandelte Kompromiss sieht vor, dass der Mauerpark mehr als fünf Hektar Fläche hinzubekommt. Im Gegenzug darf Vivico rund fünf Hektar des ehemaligen Bahngeländes bebauen.
Neben den Linken ist auch die Bürgerinitiative Gleimviertel gegen die Baupläne. Sprecher Heiner Funken glaubt nicht an die von Gothe versprochene Öffnung des Parks zum Wedding hin. Es würde vielmehr ein trennender Gebäuderiegel entstehen. Funken forderte das Land erneut auf, die Flächen zu kaufen. "Der Mauerpark ist systemrelevant für Pankow und Mitte." Die Bürgerinitiative fürchtet auch, dass spontane Kleinkunst und Trödelmarkt im Mauerpark verschwinden müssten, wenn die Wohnhäuser kommen - zu massiv seien die Nutzungskonflikte. Nach Worten Funkens hat die Allianz Umweltstiftung signalisiert, mehr Zeit für die Fertigstellung des Parks zu gewähren - aber nur, wenn sich Bezirke und Bürger aufeinander zu bewegen. "Wir sind kompromissbereit", sagte Funken dazu.
Ein juristischer Streit droht derweil um den Flächennutzungsplan (FNP). Aus Sicht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist eine Änderung nicht erforderlich. Nach Auffassung des Linken-Abgeordneten Flierl müsste der FNP sehr wohl geändert werden, sollte die Bebauung kommen, da die geplanten Bauten mehr als drei Hektar Fläche beanspruchen. Eine Änderung nämlich müsste im Parlament diskutiert werden - und die Linken könnten damit bei der Zukunft des Mauerparks mitreden, anstatt tatenlos zuzusehen, wie der Bezirk Mitte eine autonome Entscheidung fällt.
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