Stadtbahn statt Füchsen

■ Bausenator bereitet Autobahndurchstich am Sachsendamm vor / „Ökologische Brücke“ soll noch im Winter gerodet werden / Positive „Signale“ aus der DDR

Jeden Tag werden achtzigtausend Autofahrer aufatmen: Bausenator Wittwer bereitet sich darauf vor, am Nadelöhr Sachsendamm die Lücke in der Stadtautobahn zu schließen. Die fünf Brücken, die der sechsspurigen Autobahn dort im Weg stehen, würde er demnächst gerne abreißen, teilte der Bausenator - „zur Stellungnahme“ - diese Woche dem Bezirksamt Schöneberg und Umweltsenator Starnick mit. Keine Jubelrufe, sondern Proteste kommen von dort zurück. „Da gibt es Dissens“, bestätigt Starnicks Sprecher Kundt. „Nicht vertretbar“, schimpft Schönebergs Baustadtrat Saager. Die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) will das Vorgehen des Bausenators gar „rechtlich prüfen“. Denn noch in diesem Winter, „bis zum 28.Februar“, will der Bausenator den Wildwuchs auf einer der Überführungen, einer massiven Steinbogenbrücke, roden. Für ihre alte Aufgabe als Bahnbrücke wird sie seit 1985 überhaupt nicht mehr gebraucht, Naturschützer loben sie jedoch für ihre „ökologische Brückenfunktion“. Der vielfältige Wildwuchs auf dem 25 Meter breiten Bauwerk verbindet nämlich die artenreichen Brachflächen auf dem Südgelände und dem sogenannten „Flaschenhals“. Käfer und Schmetterlinge nutzen den mit Birken, Robinien und allerlei Kräutern bewachsenen Überweg zum Transit, Pollen fliegen, und manchmal, so hat ein Gutachter ermittelt, schleicht sogar ein Fuchs über die Brücke. Bisher fehlte zum Abriß der Brücken allerdings stets die Zustimmung der DDR-Reichsbahn. Der Senat verhandelt seit Jahren. Es geht darum, der DDR Ersatz für die zu den Akten gelegten Pläne zu verschaffen, südlich des Sachsendamms einen großen „Südgüterbahnhof“ zu bauen. Jetzt höre man optimistisch stimmende „Signale“ aus den Verhandlungen, erklärt Gerd Löwe, beim Bausenator zuständig für den Autobahnbau. Weil der Brückenabriß vielleicht schon im nächsten Jahr beginnt, müßte bereits im Winter - während der „Fällperiode“ - gerodet werden, meint Löwe. Bezirk, Umweltsenator und dem BLN geht das alles zu schnell. Sie bemängeln die Rechtsgrundlage der geplanten „bauvorbereitenden Maßnahmen“: ein alter Planfeststellungsbeschluß aus dem Jahr 1980, der noch ohne landschaftspflegerischen Begleitplan und ohne Anhörung von Naturschutzverbänden aufgestellt wurde. Die Kritiker fordern daher, erst den neuen Planbeschluß abzuwarten, an dem Bau und Verkehrsverwaltung zur Zeit arbeiten. Nach heutigem Recht muß er auch Ausgleich für Naturschäden einplanen. Doch dieser Plan wird laut Bauverwaltung erst Ende 1989 fertig sein. Autobahnbauer Löwe: „Wir können doch nicht die Hände in den Schoß legen.“ Er will nur versprechen, im Rahmen des neuen Planverfahrens Ausgleich auch für die Naturschäden vorzusehen, die auf der Grundlage des alten Planbeschlusses angerichtet werden. SPD und AL in Schöneberg haben da schon konkrete Wünsche: eine begrünte Ersatzbrücke, möglichst bedeckt mit dem zwischengelagerten Schotterboden der alten Brücke, 30 bis 40 Meter breit, mit Fuß- und Radwegen. Baubeamter Löwes Kommentar: „Das kann ich mir schwer vorstellen.“

hmt