■ Kommentar: Stadt gegen Kapital
Das gestrige Urteil gegen die „Schwarzbauer“ am Mosse-Palais ist in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug einzuschätzen. Bislang hat nämlich noch keiner der zahlreichen Goldgräber und Glücksritter im Windschatten des Hauptstadtbooms die Frechheit besessen, städtebauliche Vorgaben derart mit Füßen zu treten. Gezogen und gezerrt wird immer, aber gegen den Willen des Bezirks einfach vier Stockwerke mehr zu bauen, das war selbst für den Richter der 19. Zivilkammer der „größte Schwarzbau, der im Verwaltungsgericht bisher registriert wurde“.
Wäre ein solches Verhalten im nachhinein toleriert worden, wären sämtliche Diskussionen der letzten Jahre über städtebauliche Vorgaben, über die „kritische Rekonstruktion“ oder die „europäische Stadt“ auf einen Schlag zur Makulatur geworden. Wenn ein Bebauungsplan nicht mehr allgemeinverbindliche Rechtskraft hätte, sondern nicht mehr wäre als eine gutgemeinte Absichtserklärung einiger Politiker und Stadtplaner, würde das Gesicht der künftigen Stadt nur mehr von den Verwertungsinteressen der Investoren bestimmt werden. Die Stadt, wie wir sie kennen, würde noch schneller als bisher ihre Maßstäblichkeit, ihre urbane Dimension verlieren.
Deshalb hatte das Bezirksamt Mitte auch keine andere Wahl, als aus dem Fall Mosse-Palais einen Präzedenzfall zu machen. Ein außergerichtlicher Vergleich – etwa über eine Ausgleichsfinanzierung für öffentliche Aufgaben durch den Investor – hätten auf den spezifischen Fall vielleicht zu einer Lösung führen können – der Mißachtung öffentlicher Beschränkungen für das Kapital im Sinne der Stadt wäre damit aber Tür und Tor geöffnet worden. Uwe Rada
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