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Archiv-Artikel

Stadion-Gesellschaft baut illegal

In der Pauliner Marsch lässt die halbstaatliche Stadion-Gesellschaft gerade ein Umkleidehäuschen bauen. Weil das illegal ist und ein Gericht den Abriss verlangen könnte, ließ man sich die Aktion von Rathaus und Wirtschaftssenator genehmigen

Bremen taz ■ Seit einigen Tagen wird in der Pauliner Marsch kräftig gemauert. Der Grund: Weil Werder Bremen seine Leichtathleten nicht mehr in den Stadion-Umkleideräumen haben will, sollen am Platz 11 neue Räume entstehen. Der amtierende Geschäftsführer der „Bremer Weser Stadion GmbH“ (BWS), Wolfgang Heise, kann darin nichts Verbotenes erkennen. „Wir wollen die Umkleidegebäude noch soweit bauen, dass sie winterfest sind“, begründet er die Bautätigkeiten.

„Eine Frechheit“, sagt dagegen der von dem Vorgang überraschte Ortsamtsleiter Robert Bücking. Jedem sei klar, dass der Bau eine Verletzung von Anwohner-Rechten darstelle. Dass der Bau tatsächlich gegen geltendes Recht verstößt, ist Heise klar: Für 465 Anwohner ist im Grundbuch seit 80 Jahren als „Grundstücksbelastung“ eine „Baubeschränkung“ verbrieft: Massive Bauten in der Pauliner Marsch können die Anwohner „verbieten“. Die BWS hat diese Anwohner vorsichtshalber nicht gefragt. „Wir haben doch keinen Ansprechpartner“, entschuldigt Heise dieses Versäumnis. Außerdem würde es nichts bringen, sich mit drei Anwohnern an einen Tisch zu setzen, wie es am 25. November im Ortsamt geplant ist. Dann könnten alle anderen immer noch klagen, so Heise.

Und die Klage der drei aktiven Vertreter der Anwohner-Initiative ist offenbar fest einkalkuliert. Die Weser-Stadion-GmbH hat sogar per Gutachten die Anwaltssozietät Müffelmann&Theye der Stadt als Eigentümerin des Geländes erklären lassen, wie man die Anwohner-Rechte loswerden könnte. Die Stadt könnte versuchen, die Eintragungen im Grundbuch löschen zu lassen – mit der Begründung, dass die alten Rechte überholt seien, so schreiben die Anwälte in ihrer Expertise vom 16. Mai 2003. Tatsächlich hatten die Anwohner die Baubeschränkungen in der Pauliner Marsch als Gegenleistung für ihre Zustimmung erwirkt, dass die Holztribünen des Stadions in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts durch eine Beton-Konstruktion ersetzt werden konnten. Der „freie Blick“ auf die Weser ist seitdem verbrieftes Recht am Osterdeich. Deshalb sehen die Anwälte für eine offizielle Löschung oder Enteignung der alten Rechte „schlechte Aussichten“.

Ganz anders aber, so die Anwälte, sähe es aus, wenn die Stadt oder die BWS trotzdem bauen würde – illegal. Dann würde ein Gericht nicht mehr über die Anwohner-Rechte, sondern über einen konkreten Einzelfall entscheiden müssen. „Praktikabel“ sei das „nur für bereits bestehende, gegen Baubeschränkungen verstoßende Bauwerke“, heißt es in dem Schreiben weiter. Das bedeutet: Die städtische BWS baut einfach, und ein Gericht könnte dann im Nachhinein nur die Abwägung vornehmen, ob durch dieses konkrete Gebäude die Rechte der Anwohner so stark verletzt sind, dass ein Abriss im Rahmen der Verhältnismäßigkeit verlangt werden kann.

Weil es das Risiko des Abrisses gibt, so erklärte Heise gestern auf Nachfrage der taz, hat sich die BWS im Sommer in ihrem Aufsichtsrat abgesichert. Da sitzen die Vertreter des Wirtschaftssenators, des Rathauses und der Bürgerschaft. Alle haben dem illegalen Bau zugestimmt. Erst danach habe die BWS die Bauarbeiter engagiert, sagt Heise. „Uns ist geschildert worden, dass nur über eine solche gerichtliche Klärung Rechtssicherheit erlangt werden kann“, begründet Hermann Kleen (SPD) seine Zustimmung im Aufsichtsrat. Die Anwohnerinitiative will am Montag mit einer „Einstweiligen Verfügung“ vor Gericht den Baustopp beantragen. K. Wolschner