: Stacheldraht kann die Ruhe nicht erzwingen
■ Aufruhr zu Beginn des „Tags der Erde“ in besetzten Gebieten / Palästinensisches Pressebüro PPS geschlossen / Früherer Chef des israelischen Geheimdienstes der Armee: Israel hat von unabhängigem Palästinenserstaat weniger zu befürchten als vom Status quo
Jerusalem (afp/ap) - Mit dem Tod einer Palästinenserin, der Schließung des „Palästinensischen Pressebüros“ (PPS) und zahlreichen Demonstrationen und Zusammenstößen hat am Mittwoch der „Tag der Erde“ in Israel und den besetzten Gebieten begonnen. Trotz des Aufmarsches von mindestens 4.000 Soldaten gelang es den Israeli nach Angaben von Augenzeugen nicht, die Ruhe im Westjordanland und im Gaza–Streifen herzustellen. Mit dem „Tag der Erde“ gedenken vor allem die arabischen Israeli eines Vorfalls vom 30. März 1976, als aus Anlaß von Landbeschlagnahmungen arabischen Bodens durch jüdische Israeli in Galiläa sechs Araber bei Unruhen ums Leben gekommen waren. Die besetzten Gebiete gelten seit Montag als militärische Sperrzonen, in die westliche Journalisten im Prinzip keinen Zutritt haben. Eine Palästinenserin wurde am Morgen im Dorf Dar Abu Micha in der Nähe von Ramallah (im besetzten Westjordanland) von israelischen Soldaten erschossen, drei Familienangehörige wurden verletzt, teilte ein israelischer Militärsprecher mit. Nach seinen Angaben wurde die 50jährige Wajda Rabiya bei einer Hausdurchsuchung angeschossen. Die Mutter dreier Kinder wurde in das Krankenhaus von Ramallah transportiert, wo nur noch der Tod festgestellt werden konnte. In Beituniya südlich von Ramallah wurden fünf Personen durch Schüsse verletzt, darunter ein 15jähriges Kind, hieß es vom israelischen Militär. Außerdem wurde aus einem Dutzend Flüchtlingslagern im Westjordanland Aufruhr gemeldet. Ebenfalls am Morgen schloß die israelische Polizei das „Palästinensische Pressebüro“ (PPS) für sechs Monate. Die Schließung sei aufgrund des immer noch geltenden Ausnahmezustandes erfolgt. PPS ist die einzige palästinensische Presseagentur in den von Israel besetzten Gebieten. Mit Schüssen in die Luft und dem Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken hat die zypriotische Polizei am Mittwoch die Stürmung der israelischen Botschaft in Nikosia durch Palästinenser und zypriotische Sympathisanten verhindert. In Erwartung einer Demonstration hatte die Polizei alle Zugänge zu dem Gebäude mit Stacheldraht versperrt, doch versuchten mehrere Menschen, über den Zaun um das Gelände zu steigen. Der Status quo bringt Gefahr Tel Aviv (taz) - Reservegeneral Yariv zufolge , dem früheren Chef des Armee–Geheimdienstes und jetzigen Direktor des Instituts für strategische Studien, hat Israel von einem unabhängigen Palästinenserstaat weniger zu befürchten als von der Fortdauer des Status quo. Selbst wenn die israelische Armee die gegenwärtige Erhebung befrieden könne, drohe bei der Beibehaltung des Status quo die Gefahr eines Krieges mit den arabischen Staaten innerhalb der nächsten sechs Jahre. Der Shultz– Plan gebe Israel drei bis vier Jahre Zeit, um sich an den Übergang zu gewöhnen und Autonomieregelungen für die besetzten Gebiet zu erproben. Wenn die PLO Israel öffentlich und offiziell anerkenne, solle Israel zu Verhandlungen bereit sein und das palästinensische Recht auf Selbstbestimmung anerkennen. Amos Wollin
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