Staatshilfe für Arcandor: Keiner will Kaufhaus-Jobs retten
Die EU spricht sich gegen Staatshilfen für den Warenhauskonzern aus. Auch der Wirtschaftsminister sieht wenig Chancen - und fordert eine "30-prozentige Kapizitätsanpassung".
BERLIN taz/rtr/dpa/apDie Rettung von Arcandor wird schwierig: Die EU-Kommission ließ am Mittwoch wissen, dass die Karstadt-Mutter nicht aus dem "Deutschlandfonds" unterstützt werden dürfe. Dieser Fonds umfasst 100 Milliarden Euro, die vor allem als Bürgschaften ausgereicht werden. Er ist für Firmen gedacht, die eigentlich gesund sind und erst durch die Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten sind. Doch dieses Kriterium trifft auf Arcandor nicht zu, befand die EU-Kommission. Der Konzern hätte schon vor dem 1. Juli 2008 mit finanziellen Problemen gekämpft.
Arcandor hatte eine Staatsbürgschaft von 650 Millionen Euro beantragt, denn bis zum 12. Juni werden Kredite fällig, die sonst wohl nicht von den Banken verlängert werden. Über den Arcandor-Antrag beriet am Mittwoch der Bürgschaftsausschuss der Bundesregierung, fällte jedoch noch keine Entscheidung.
Doch Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ließ erkennen, dass er der EU-Entscheidung folgen dürfte: Es handle sich um eine "sehr klare Ansage". Dieses Votum aus Brüssel sei überaus gewichtig.
Trotzdem sind Rettungsmaßnahmen des Staates nicht völlig ausgeschlossen, wie die EU ausdrücklich betonte: Arcandor könnte normale Beihilfen in Anspruch nehmen, die jedoch nur gewährt werden dürfen, wenn das Unternehmen restrukturiert wird. Was das konkret bedeuten würde, führte zu Guttenberg aus: Auf Arcandor käme eine "30-prozentige Kapazitätsanpassung" zu - also ein drastischer Abbau von Arbeitsplätzen.
Karstadts Konkurrent Kaufhof wiederholte indes das Angebot, beide Kaufhausketten zusammenzulegen. Es sei reine "Panikmache", dass dabei 50.000 Stellen bei Karstadt verloren gingen, erklärte Kaufhof-Chef Lovro Mandac. Denn in nur 32 Städten sei sowohl eine Karstadtfiliale als auch ein Kaufhof vorhanden. Insgesamt könnten etwa 160 Standorte erhalten bleiben.
Allerdings denkt Kaufhof nicht daran, die Schulden von Arcandor zu übernehmen oder Geld in das Unternehmen zu stecken. Selbst eine Zentralverwaltung ist nicht geplant, die beide Ketten koordinieren würde.
Auch zu Guttenberg schloss eine Fusion von Karstadt und Kaufhof nicht aus: Sie könne im Rahmen einer Rettungsbeihilfe oder eines Insolvenzverfahrens stattfinden.
Die Mehrheit der Bundesbürger lehnt staatliche Hilfen für Arcandor ab, wie eine Forsa-Umfrage ergab. Gegen Bürgschaften waren insbesondere die Anhänger der Grünen (73 Prozent) und der FDP (68 Prozent). Aber selbst Sympathisanten der Linkspartei und der SPD waren mehrheitlich dagegen (jeweils 61 Prozent).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten