piwik no script img

Staatsgerichthof in NiedersachsenWulff-Affäre geht vor Gericht

Der niedersächsische Staatsgerichtshof überprüft am Freitag die Informationspolitik der schwarz-gelben Landesregierung. Im Zentrum steht Christian Wulff.

Sichtlich mitgenommen: Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Bild: dapd

HANNOVER taz | Die Affäre um Exbundespräsident Christian Wulff (CDU) beschäftigt erstmals ein Gericht: Am Freitag prüft der niedersächsische Staatsgerichtshof die Informationspolitik der schwarz-gelben Landesregierung bei der Aufklärung der Vorgänge um den einstigen Ministerpräsidenten.

Vor dem Verfassungsgericht des Landes klagt die SPD wegen Falschinformation des Parlaments: Schwarz-Gelb soll unter Wulff wie unter dessen Nachfolger David McAllister (ebenfalls CDU) eine Beteiligung des Landes an der umstrittenen Polit-Promi-Partyreihe „Nord-Süd-Dialog“ verschwiegen haben. Reine Privatveranstaltungen seien die Feiern gewesen, hatte es 2010 noch zu Wulff-Zeiten geheißen. Eine Version, an der die aktuelle Regierung lange festhielt.

Erst als im Frühjahr Ermittlungen gegen Wulffs Exsprecher Olaf Glaeseker wegen des Verdachts der Bestechlichkeit öffentlich wurden, rückte man davon ab. Glaeseker soll Sponsoren für die Partyreihe eingeworben und als Gegenleistung Gratisurlaube von Veranstalter Manfred Schmidt erhalten haben.

Ob Schwarz-Gelb über diese und andere Vorgänge tatsächlich, wie in der Landesverfassung vorgesehen, „nach bestem Wissen und Gewissen“ informiert hat, wird zunächst mündlich verhandelt, eine Entscheidung bis Ende September erwartet. Sanktionsmöglichkeiten hat der Staatsgerichtshof allerdings nicht – mehr als eine Rüge kann er nicht aussprechen.

Doch auch die könnte für die Regierung McAllister fünf Monate vor der Landtagswahl ungelegen kommen. Zumal die Staatsanwaltschaft Hannover etwa zeitgleich zum Gerichtsentscheid die Ergebnisse ihrer Korruptionsermittlungen gegen Glaeseker und Wulff selbst angekündigt hat.

„Anfangsverdacht einer Korruptions-Straftat“

Im Glaeseker-Verfahren wurde Wulff zwischenzeitlich als Zeuge vernommen, selbst die Tagebücher von Glaesekers Frau Vera wollen die Fahnder auswerten. Die Ermittlungen gegen Wulff werden unterdessen womöglich ausgeweitet: Bislang ging es um Hotelaufenthalte auf Sylt und in München, die der Unternehmer David Groenewold als Gegenleistung für Landesbürgschaften bezahlt haben soll.

Mittlerweile wird selbst bei den Flitterwochen mit Gattin Bettina der „Anfangsverdacht einer Korruptions-Straftat“ geprüft, wie es die Staatsanwaltschaft formuliert.

Die Wulffs verbrachten die Flitterwochen 2007 im Ferienhaus von Dieter Baumgartl, Aufsichtsratschef des Talanx-Versicherungskonzerns. Kurz zuvor hatte sich Wulff über einen Beschluss seines Kabinetts hinweggesetzt: Im Bundesrat stimmte Niedersachsen für Steuererleichterungen für die Versicherungswirtschaft statt, wie vom Kabinett beschlossen, dagegen. So hatte es sich eine Talanx-Tochter von ihm erbeten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • T
    tim

    zum thema "sichtlich mitgenommen":

     

    das herr wulff mittlerweile keine sorgfältig gefärbten haare mehr hat und die schminke etwas reduziert aufgetragen wird sollte nicht permanent als leidensbild dargestellt werden.

     

    durchaus können sich die skandale auf seine gesundheit auswirken, aber ich glaube durchaus, das es nicht die dramatik in sich hat, die die medien immer wieder schildern. ein solcher beruf ist eben nichts für menschen, die nicht mit stress umgehen können.

     

    fast glaube ich schon, das es herrn wullf ganz recht kommt, "sichtlich mitgenommen" auszusehen.

  • F
    Friederike

    Man könnte das ganze auch "Hornberger Schiessen" nennen.

  • CW
    carsten wascheymer

    @reblek:

     

    Ist Klugscheißer ein anerkannter Beruf ?

     

    Mir fällt zur Causa Wulff hauptsächlich auf, dass sich die Öffentlichkeit (und auch die Behörden) erstaunlich schwer damit tun, Fakten zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Wulff - der mittlerweile nur noch sehr wenige Freunde hat - wurde von allerlei schillernden Gestalten hofiert und rundum versorgt. Und die Öffentlichkeit glaubt, dass die Maschmeyers und Groenwolds das machen, weil der Wulff so eine charismatische und lebenslustige "Partymaschine" ist ? Es ging nie um etwas anderes,als Gesetze zu erkaufen. Was ich wirklich schäbig finde, das ist, wie wenig der Wulff dafür verlangt hat. Daran sieht man ziemlich deutlich, wie wenig ihm diese Demokratie wert ist, zu deren höchsten Repräsentanten(!) man ihn für seine Parteidisziplin gemacht hatte.

    Offensichtlich haben sich große Teile des konservativen Lagers schon lange von den Grundfesten der Gesellschaft verabschiedet. Seltsamerweise gibt es diese Selbstbedienungsmentalität bei fremden materiellen und geistigen Gütern hauptsächlich dort. Ich weiß von keiner Plagiatsaffäre oder persönlicher Bereicherung a la Mappus und Wulff innerhalb der Parteien des links-sozialen Spektrums.

    Offenbar schätzen die zu Guttenbergs und Konsorten die breite Masse vollkommen korrekt ein : leicht zu beeindrucken und einzuwickeln mit mit "Wert"-konservativem Theater und jeder Menge Celebrity-Flitterkram.

  • V
    viccy

    Der Wulff meint, er habe alles richtig gemacht.

     

    Kann es sein, dass das Aufgedeckte im Fall Wulff tatsächlich so weit verbreitet ist in den Spitzen der Politik, dass man es - dort - wirklich für normal hält?

  • R
    reblek

    "Vor dem Verfassungsgericht des Landes klagt die SPD wegen Falschinformation des Parlaments..." - Ich vermute, es geht um eine falsche "Informierung".

    "Im Glaeseker-Verfahren wurde Wulff zwischenzeitlich als Zeuge verhört..." - In einer Demokratie gibt es kein "Verhör", sondern lediglich eine "Vernehmung". "Verhör" gibt es in diktatorischen Regimen - und in dämlichen Krimis.