Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt: „Langeweile“ gegen „Konkret“
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung gegen das linke Magazin. „Kauft nicht bei Deutschen“, schrieb ein Autor im Heft.
Deutscher geht es kaum: Ein bellender Schäferhund, Typ: reinrassig und polizeihundtauglich, ziert die November-Ausgabe des Konkret-Magazins, der Hintergrund ist in Schwarz, Rot, Gold gehalten. Darauf prangt die Ankündigung eines Artikels im Heft: „Kauft nicht bei Deutschen“, geschrieben von Leo Fischer, Kolumnist und Exchefredakteur des Satiremagazins Titanic.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Herausgeber der Konkret, Hermann L. Gremliza, und zwei Redakteur*innen. Der Verdacht: Volksverhetzung.
In seinem Artikel wirbt Fischer für eine selbst erdachte Kampagne in satirischer Anlehnung an die Boykott-Israel-Kampagne BDS: Die SBD-Bewegung. Das Kürzel steht für „Stehenlassen – Bemäkeln – Dauernd runterputzen“. All dies sollten Verbraucher*innen mit deutschen Produkten machen, schreibt Fischer, „bis hierzulande endlich menschenwürdige Zustände herrschen“.
Denn die Zustände in Deutschland verstoßen in seinen Augen gleich mehrfach gegen UN-Resolutionen und „international anerkannte Grundsätze des schönen Lebens“. Menschen mit einem IQ von über 100 seien brutalen Diskriminierungen ausgesetzt, kluge Menschen erhielten weder einen angemessenen Arbeitsplatz, noch würden sie vom deprimierenden Anblick ihrer Landsleute verschont. Die „Gesichtsapartheid“ sorge dafür, dass abweichendes Verhalten sofort durch „sauertöpfisches, verbissenes Grimassieren“ beantwortet werde – eine international geächtete Mimik, die die Mehrheit der Deutschen völlig gedankenlos einsetze.
Um dem deutschen Stumpfsinn zu entkommen, empfiehlt Fischer seinen Leser*innen, deutsche Produkte zu meiden. Ganz konkret: alles, was von Produktionsfirmen wie Maybrit Illner, Sandra Maischberger oder dem Springer-Verlag hergestellt werde. Wer versehentlich doch mal ein solches Produkt erwerbe, dem empfiehlt Fischer, es mitsamt dem Originalbeleg sowie einer Bearbeitungsgebühr in Höhe des dreifachen Einkaufspreises an die Konkret-Redaktion zu schicken, die es dann entsorge.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Konkret mit Ermittlungen konfrontiert ist. Als Grund für die Vorwürfe vermutet die Redaktion: Langeweile. Auf ihrer Homepage kommentiert sie: „Die Straßenschlachten sind geschlagen, bei der Hamburger Polizei zieht gähnende Langeweile ein. Zeit für ein wenig Bassledoh (schwäbisch für passer les temps, Zeitvertreib).“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch