Staatsakt für Afghanistan-Tote: Kanzlerin verabschiedet Soldaten

39 deutsche Soldaten starben seit 2002 in Afghanistan. Nun hat Kanzlerin Merkel erstmals getötete Bundeswehr-Soldaten verabschiedet.

Krieg im "dringenden Interesse der Sicherheit Deutschlands": Merkel bei Staatsakt. Bild: dpa

SELSINGEN taz | Gerade rechtzeitig vor Eintreffen der Kanzlerin befestigen drei Demonstranten am Ortseingang ein weißes Transparent an zwei dünnen Bäumen. "Bundeswehr raus aus Afghanistan", haben sie darauf geschrieben. Näher hinein nach Selsingen lässt die Polizei sie nicht. Die kleine Gemeinde, auf halbem Weg zwischen Hamburg und Bremen, ist heute weniger Schauplatz einer Trauerfeier als eines Staatsaktes.

In der St.-Lamberti-Kirche, zuständig für die nahe gelegene Seedorfer Kaserne, verabschiedete sich die Regierung am Freitag von den drei Fallschirmjägern, die eine Woche zuvor in Afghanistan bei einem Angriff von Taliban getötet wurden. Der 35-jährige Hauptfeldwebel Nils Bruns aus dem niedersächsischen Stadtoldendorf, der 25-jährige Stabsgefreite Robert Hartert aus Freital in Sachsen und der 28-jährige Hauptgefreite Martin Augustyniak aus Bielefeld waren Angehörige der in Seedorf stationierten Luftlandebrigade 31.

Jahrelang scheute die Regierung das Wort, an Ostern schließlich gestand sie zu, dass das, woran die Bundeswehr in Afghanistan beteiligt ist, ein Krieg ist. Und so hatte sie am Freitag um ihre ersten offiziellen Kriegsgefallenen zu trauern. Merkel sagte es so: "Sie sind nicht die ersten Toten, aber die ersten, nachdem wir das Umfeld des Einsatzes neu bestimmen mussten." Dann fügt sie hinzu: "Ich verneige mich vor ihnen, Deutschland verneigt sich vor ihnen."

An den Zufahrten zum Kasernengelände stehen junge Rekruten in Flecktarnanzügen und halten Maschinengewehre. In Zweierreihen marschieren Kompanien von Soldaten in grauen Ausgehuniformen zu der Backsteinkirche, die viel zu klein ist für die weit über 1.000 Trauergäste. Auf Videoleinwänden wird der Gottesdienst nach draußen übertragen. Drinnen sind die drei Särge mit schwarzem Tuch und Deutschlandfahnen umhüllt, auf ihnen ruht je ein olivgrüner Stahlhelm. Vorn sind die Orden angeheftet, sechs Soldaten mit roten Baretten stehen um jeden Sarg, von Zeit zu Zeit kommen sechs neue zur Ablösung.

Von großen Fotos schauen die drei in das Kirchenschiff. Die Bundeswehr hat die schwarz-weißen Porträts auf einen merkwürdig blauen Hintergrund montiert, als wollte sie der Atmosphäre nicht zu viel Schwere zumuten. In Informationsblättern will sie auch Persönliches über die Toten mitteilen und ergänzt die biografischen Daten mit der Information, dass es sich um begeisterte Kampf- und Kraftsportler gehandelt hat.

Die Glocken läuten, die Trauergemeinde hält Einzug. Die Toten seien "nicht nur militärische Führer, sondern auch Freunde und Vorbilder gewesen", sagt der Militärdekan Armin Wenzel. Er trägt Fürbitten vor: Für jene, "die im Einsatz für mehr Gerechtigkeit und Frieden starben". Für ihre Kameraden. Für die verwundeten Soldaten. Und für die für das Ganze "verantwortlichen Politiker". Für die toten Afghanen bittet er nicht. Die Trauergäste sprechen ihm nach.

Afghanistan sei "Brutstätte des Terrors" wie den des 11. September und dürfe "nie wieder Plan- und Rückzugsort für al-Qaida werden", sagt Angela Merkel, als sie an den Altar tritt. Der Einsatz, bei dem die drei Soldaten starben, liege deshalb im "dringenden Interesse der Sicherheit Deutschlands".

Es ist das erste Mal, dass Merkel an einer Trauerfeier für in Afghanistan gestorbene deutsche Soldaten teilnimmt. Als Vertreter der FDP begleitet sie Gesundheitsminister Philipp Rösler. Hauptperson ist aber Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).

"In unserem Namen" seien die Fallschirmjäger "am Karfreitag gefallen, ja, am Karfreitag, zynisch von jenen gewählt, denen ein Menschenleben nichts, rein gar nichts zählt", sagt der Minister. Am Ostersonntag habe er die "Tränen der heimkehrenden Kameraden gesehen", für die diese sich nicht schämen müssten, denn "gottlob" trauere Deutschland "nicht im Verborgenen, sondern in aller Offenheit". Was in Afghanistan geschehe, sei für ihn Krieg; die Soldaten bedürften der Unterstützung der Gesellschaft. Eine seiner Töchter, so erzählt zu Guttenberg weiter, habe ihn an Ostern gefragt, ob die drei Soldaten "tapfere Helden unseres Landes waren und ob sie stolz auf sie sein dürfe". Er habe diese Frage "nicht politisch, sondern einfach mit Ja beantwortet".

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