: Staat statt Eltern
Baden-Württemberg will neue Elternideologie: Mehr Ganztagsbetreuung – und Erziehungskurse für Eltern
BERLIN taz ■ Bei Erwin Teufel ging das so. Schlug jemand vor, etwa die rot-grüne Bundesregierung, Kinder den ganzen Tag in der Schule zu betreuen, sagte er: Nein. Denn die Eltern hätten ein überkommenes Recht auf Erziehung. Also kämpfte Teufel wie ein Berserker gegen das Ganztagsschulprogramm des Bundes.
Bei seinem Nachfolger Günther Oettinger geht das anders. Der baden-württembergische CDU-Ministerpräsident, der im März seine erste Wahl im Amt des Landesvaters zu bestehen hat, findet Ganztagsschulen plötzlich ganz dufte – und hat ein landeseigenes Programm für Ganztagsschulen angekündigt. Ist für ihn, das Cleverle, natürlich billig zu haben. Der Bund übernimmt noch bis 2009 über 90 Prozent der Umbaukosten für Ganztagseinrichtungen.
Aber Oettinger wäre nicht Oettinger, wenn er nicht überforsch ins neue Terrain vorgestoßen wäre. Oettinger öffnet nicht etwa behutsam staatliche Einrichtungen am Nachmittag. Er greift gleich tief ins elterliche Erziehungsrecht ein. Denn der Vater eines Sohnes will Gespräche zwischen Eltern und Lehrern verpflichtend machen. Eltern hätten „ihre Teilnahme [daran] genauso wahrzunehmen, wie die Schüler eine Teilnahme am Unterricht wahrzunehmen haben“, sagte Oettinger der Financial Times Deutschland. Die Gespräche sollten halbjährlich stattfinden. Auf Deutsch: Oettinger will die Erziehung kontrollieren.
Verwunderlich ist es nicht, dass Oettinger eine regelrechte Bildungsoffensive begonnen hat, in der die üblichen Stichworte von der verbesserten frühkindlichen Bildung bis zu den Eliteunis enthalten sind. Denn seine junge, bildungsbeflissene Konkurrentin Ute Vogt (SPD) hatte sich schon in ihrem letzten Wahlkampf ganz auf Bildung konzentriert. Gegen den konservativen Erwin Teufel war das leichter. Da konnte sie bereits punkten, wenn sie nur die mikrobisch geringen Zahlen an Ganztagseinrichtungen etwa für Zweijährige kritisierte. Gegen Oettinger braucht sie das Detail – und da offenbart dieser Schwächen.
Die Bildungspläne des Ministerpräsidenten sind weitgehend rhetorischer Art. Die Nachmittagsbetreuung sollen keine regulär eingestellten Lehrkräfte erledigen, sondern Jugendbegleiter – das sind Helfer aus Vereinen, Verbänden oder Kirchen. Die GEW und Konkurrentin Vogt mosern bereits über Oettingers Billigprogramm. Tatsächlich ist nun die Frage aufgeworfen: Worin besteht die Ganztagsoffensive des Ministerpräsidenten – wenn sie letztlich vom Bund und billigen Hilfskräften bestritten wird?
CHRISTIAN FÜLLER