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Staat mobil gegen Vobo–Gegner

■ Parteizentrale der Grünen in Bonn gewaltsam durchsucht / Volkszählungsbücher auf den Index gesetzt / Schon wer informiert wird kriminalisiert / Anwalt erhält wegen taz–Interview Bußgeldverfahren

Von U. Sieber und V. Gaserow

Bonn/Berlin (taz) - Nach mehreren Hausdurchsuchungen in Rheinland–Pfalz ist am Samstag abend auch die Bundesgeschäftsstelle der Grünen in Bonn wegen eines Volkszählungsflugblattes von der Polizei durchsucht worden. Nachdem sie sich gewaltsam Zutritt in die Parteizentrale verschafft hatten, sammelten die Polizisten etwa 1.000 Faltblätter der Serie „Nur Schafe lassen sich zählen“ ein, von denen nach Angaben der Grünen in den letzten Monaten bisher 800.000 verteilt worden sind. Ausgerechnet am Wochenende hatte die Bonner Staatsanwalt schaft die Rubrik des Faltsblatts, „Was tun, wenn die Zähler kommen“, entdeckt: „Wer sich an der Volkszählung nicht beteiligt“, so heißt es dort u.a., „den rufen die Volkszählungsboykottinitiativen auf, ihren Fragebogen bei der örtlichen Initiative abzuliefern, nachdem sie ihn durch abschneiden der Kenn–Nummer anonyminiert haben.“ Die Staatsanwaltschaft sieht darin eine Aufforderung zur Sachbeschädigung und beantragte einen Durchsuchungsbefehl beim Amtsgericht. Die Grünen werteten die Polizeiaktion als „Ausdruck einer gestiegenen Nervosität der Volkszählungsveranstalter“ und kündigten an, „mit allen rechtlichen und politi schen Mitteln“ gegen solche Versuche der Einschüchterung und Kriminalisierung der Boykottbewegung vorzugehen. Mit nervöser Hektik, Verboten und Buß– und Zwangsgeldandrohungen haben die Volkszählungsbetreiber in den letzten Tagen demonstriert, daß sie für die Durchführung der Erhebung Grundrechte wie die Meinungsfreiheit und den Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit außer Kraft zu setzen bereit sind. In Darmstadt sind jetzt sechs im Buchhandel frei verkäufliche Bücher zum Thema Volkszählung und Informationstechnologie auf einen Index gesetzt worden. Unter Androhung eines Zwangsgeldes von 1.000 DM darf die örtliche Boykottinitiative diese Bücher nicht mehr auf ihren Büchertischen auslegen, darunter das 2001–Buch von Verena Rottmann und „Mikropolis“ von Rolf Kubicek, in dem das Wort Volkszählung überhaupt nicht auftaucht. Dabei reichte als Begründung schon aus, daß „durch dieses Schriftgut zumindest mittelbar zu einem Boykott der Volkszählung aufgerufen wird“. In München wurde eine Straßentheateraktion wegen der Aufschrift „Nur Schafe lassen sich zählen“ aufgelöst. In Bayreuth wurde am Informationsstand der Grünen eine Broschüre der Humanistischen Union beschlagnahmt, die ausdrücklich nicht zum Boykott aufruft, sondern lediglich über die rechtlichen Möglichkeiten des Einspruchs und Widerspruchs informiert. Diese Beschlagnahmung wurde inzwischen von einem Bayreuther Amtsrichter mit der Begründung bestätigt, „nach den Begleitumständen“ sei mit dieser Broschüre zum Boykott aufgerufen worden. Die Äußerung in einem taz–Interview, „Einen Mandanten würde ich auf die Risiken der Volkzählung hinweisen und auf die Rechtswege und tatsächlichen Möglichkeiten, sich gegen die Aufforderung zur Teilnahme an der Volkszählung zur Wehr zu setzen“, reichte den niedersächsischen Behörden schon aus, um gegen den Vorsitzenden des Republikanischen Anwaltsvereins, Klaus Eschen, ein Bußgeldverfahren einzuleiten. Als Ordnungswidrigkeit begreifen es die Behörden dort u.a., daß Rechtsanwalt Eschen in dem taz–Gespräch das Volkszählungsgesetz als „verfassungswidrig“ bewertet hatte, obwohl er doch wisse, „daß nur das Bundesverfassungsgericht eine Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz feststellen kann.“ (Mit der zunehmenden Repression gegen die Boykottbewegung beschäftigte sich u.a. auch das bundesweite Koordinationstreffen, zu dem am Sonntag rund 200 Vertreter von Vobo–Inis in Köln zusammenkamen. Ein ausführlicher Bericht dazu in der morgigen taz.)

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