Sri Lankas Premierministerin tritt ab

Die 84-jährige Sirimavo Bandaranaike, Mutter der Staatschefin, fällt dem Streit um eine Verfassungsreform zum Opfer. Nun wird die politische Reform des bürgerkriegsgeschüttelten Landes zum Wahlkampfthema

DELHI taz ■ Sri Lankas Ministerpräsidentin ist gestern zurückgetreten. Die 84-jährige Mutter von Staatspräsidentin Chandrika Kumaratunga ist gesundheitlich stark angeschlagen und führte die Regierungsgeschäfte nur noch der Form halber. Sie ließ sich meist von ihrer Tochter vertreten, die als Präsidentin in Sri Lanka ohnehin über weit reichende Exekutivgewalt verfügt. Kumaratunga war im vergangenen Dezember für sechs Jahre wieder gewählt worden. Sie setzte nun als Nachfolger Bandaranaikes Innenminister Ratnasiri Wickremanayake ein.

Der Rücktritt kommt überraschend, da die Amtszeit der Premierministerin mit dem Ende der Parlamentszeit spätestens am 24. August ohnehin zu Ende gegangen wäre. Der Schritt hat Spekulationen ausgelöst, dass Kumaratunga nach der erzwungenen Verschiebung der parlamentarischen Abstimmung über eine Verfassungsreform am Vortag das Parlament nun vorzeitig auflösen und rasche Neuwahlen anstreben könnte. Die Präsidentin dürfte dann die Verfassungsvorlage, die eine größere Autonomie für die Tamilen und eine Verschiebung vom Präsidial- zu einem parlamentarischen System vorsieht, zum zentralen Thema ihres Wahlkampfs machen. Nach ihren Vorstellungen soll die Machtverschiebung vom Präsidenten zum Ministerpräsidenten erst nach Ablauf ihrer regulären Amtszeit in fünf Jahren durchgeführt werden.

Sirimavo Bandaranaike hatte Geschichte gemacht, als sie 1960 die erste demokratisch gewählte Ministerpräsidentin der Welt wurde. Sie hatte ihren Mann Solomon Bandaranaike politisch beerbt, der kurz zuvor dem Attentat eines buddhistischen Mönchs zum Opfer gefallen war. Bandaranaike wurde noch zweimal Ministerpräsidentin, zuletzt 1995, als sie von ihrer Tochter Chandrika in ein Amt gerufen worden war, das sie schon damals nur noch zeremoniell ausüben konnte.

Zur politischen Familie der Bandaranaikes, die der traditionellen singhalesischen Elite angehören, zählt noch ein Sohn Bandaranaikes. Dieser hatte zur Opposition gewechselt, als die Mutter der Tochter Chandrika als politischer Erbin den Vorzug gegeben hatte. Er gehört heute zu den schärfsten Kritikern der Präsidentin. BERNARD IMHASLY