Spülwasser für Gazprom-Pipeline: Giftbrühe für die Ostsee
Die Gazprom-Pipeline soll mit Milliarden Litern giftiger Lauge gespült werden, die dann ins Meer geleitet wird. Für Fische ist das tödlich.
STOCKHOLM taz Für die zwischen Russland und Deutschland geplante Gaspipeline müssen Teile der Ostsee mit einem massiven Giftschock rechnen. 1.200 Kilometer lang sollen die Rohre werden. Und das von der russischen Gazprom geführte Nordstream-Konsortium plant, sie vor Inbetriebnahme mit einem gifthaltigen "Waschwasser" durchzuspülen, um die Oberflächen der Innenseiten zu säubern und blank zu machen.
2,4 Milliarden Liter dieses Spülwassers gegen Bakterien und Mikroorganismen sollen anschließend in der Ostsee landen. Das entspricht der Ladung von zehn Supertankern mit je 240.000 Tonnen. Diese Pläne wurden am Donnerstag bekannt. Nach Informationen der schwedischen Technikzeitschrift Ny Teknik stehen sie so im Bauantrag, den das Konsortium am 21. Dezember letzten Jahres bei der schwedischen Regierung eingereicht hat. Zu dem Konsortium gehören auch die deutschen Firmen BASF und Eon.
Als "Spülmittel" soll Glutaraldehyd verwendet werden. Diese chemische Verbindung ist sehr giftig und gefährlich für die Umwelt. Sie kann schwerwiegende Augen- und Lungenreizungen verursachen. In verdünnter und gelöster Form wird sie beispielsweise zum Gerben von Leder oder zur Desinfizierung von Instrumenten benutzt.
"Auch die Berechnungen, die das Baukonsortium selbst gemacht hat, zeigen ein Risiko, dass lebende Organismen geschädigt werden", erklärte Anneli Rydström, Ökotoxikologin bei der schwedischen staatlichen Chemiebehörde. Sie sorgt sich besonders um die Algen: "Algen bilden die Grundlage des marinen Ökosystems. Für sie ist die Spülung aber hochgiftig." Außerdem sei die Chemie - wenn auch in geringerem Maße - giftig für Krebstiere und Fische. Rydström: "In vergleichbaren Fällen haben wir Anträge, dieses Mittel zu verwenden, abgelehnt." Wer das Mittel in der Industrie verwende, müsse sein Abwasser speziell reinigen, bevor es ins Meer geleitet werden dürfe. Da die Anwendung der Chemikalie innerhalb der schwedischen Wirtschaftszone in der Ostsee stattfinden soll, sei es jetzt Sache der Regierung in Stockholm, dies zu genehmigen oder abzulehnen. Die unter sehr starkem Druck stattfindende Giftspülung soll Bakterien und Mikroorganismen entfernen, die sich möglicherweise auf der Innenseite der Rohre angesiedelt haben.
"Wenn das Gas strömt, müssen die Rohrwände völlig glatt sein", begründet Jørn Bo Larsen, Umweltberater einer von Nordstream beauftragten Beratungsfirma, dieses Verfahren. Ein Teil des Glutaraldehyd werde durch den Kontakt mit den Mikroorganismen "verbraucht". Allerdings könne das Spülwasser, wenn es freigesetzt werde, die Organismen in einem mehrere Quadratkilometer großen Meeresgebiet "negativ" beeinflussen. Auf längere Sicht, so behauptet das Baukonsortium, werde das Mittel aber biologisch abgebaut und in unschädliche Konzentrationen verdünnt.
Der größte Teil des gifthaltigen Spülwassers soll auf etwa halber Strecke der Pipeline, vor der schwedischen Insel Gotland, in die See gelassen werden. Dort ist auch der Bau einer Serviceplattform geplant.
Spülungen von Pipelines sind nichts Neues. Doch die geplante Ostseepipeline ist eine der längsten überhaupt bisher geplanten Unterwasserpipelines. Und langfristig soll neben das erste Rohr ein zweites verlegt werden. Bisher gibt es keine Erfahrungen, wie das giftige Spülwasser aus einer derart langen Gaspipeline in der Ostsee wirken kann. Die Ostsee gilt als besonders empfindliches Binnenmeer.
REINHARD WOLFF
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