Gazprom setzt auf Atomenergie: Schwimmendes AKW für die Pipeline

Der Energiekonzern Gazprom will das Erdgas aus dem arktischen Barentsmeer mit Hilfe von Atomstrom verflüssigen.

Konzernzentrale von Gazprom: Das Unternehmen ist dabei, eine "schwimmende Atombombe", kritisiert Atomphysiker Bøhmer. Bild: dpa

STOCKHOLM taz Um das Erdgas zu verarbeiten, das in einigen Jahren auch durch die geplante Gazprom-Ostseepipeline auf den deutschen Markt gelangen soll, will Russland offenbar massiv auf Atomenergie setzen: So sollen als Stromquelle für eine Gasverflüssigungsanlage in der Nähe von Murmansk nicht nur veraltete, mit Sicherheitsmängeln behaftete Reaktoren des AKW Kola weiterbetrieben werden. Zur Energieversorgung der Gasbohrinseln setzt Gazprom offenbar auf bislang nicht erprobte schwimmende Atomkraftwerke. Dies berichten norwegische Medien unter Bezug auf russische Diplomaten in Oslo.

Nach diesen Informationen hat der staatliche russische Energiekonzern Gazprom drei schwimmende Atomkraftwerke bestellt. Außerdem soll ein atomgetriebener Eisbrecher in ein Gas- und Ölbohrschiff umgebaut werden. In Norwegen sorgen aber vor allem Pläne für Unruhe, nach denen erstmals schwimmende Atomkraftwerke mitten im Barentsmeer eingesetzt werden sollen. Die norwegische Umweltorganisation "Bellona" kritisiert dies als "inakzeptabel" und fordert von der Regierung in Oslo, gegenüber Moskau aktiv zu werden. Schon seit den Achtzigerjahren plante die Sowjetunion den Bau schwimmender Atomkraftwerke. Damals spielte man mit dem Gedanken, hiermit die sowjetischen Siedlungen auf der Arktisinsel Spitzbergen mit Strom und Fernwärme zu versorgen. Realistischer wurden solche Pläne, als Moskau vor einigen Jahren Finanzmittel für eine weitere Entwicklung des Konzepts bereitstellte, da man sich offenbar auch Exportchancen verspricht. Der Bau des "Akademik Lomonossow" getauften ersten schwimmenden Atomkraftwerks wurde unter der Regie der AKW-Betreibergesellschaft "Rosenergoatom" im April 2007 auf einer Werft im nordwestrussichen Sewerodwinsk nahe Archangelsk in Angriff genommen. Es soll 2011 betriebsbereit sein.

Eigentlich war diese Versorgungslösung für abgelegene Küstenorte gedacht, um so teuere Überlandleitungen einsparen zu können. Doch schon dieses Konzept stieß auf massive Kritik. "Was passiert, wenn sich in diesen abgelegenen Regionen ein Unfall ereignet? Wie sind die Reaktoren gegen einen Terrorangriff gesichert, gegen Sabotage oder Kaperung?", fragte der Bellona-Atomkraftexperte Nils Bøhmer schon nach Vorlage der ursprünglichen Pläne: "Wo sind die technischen Experten, wenn sie gebraucht werden, und was ist, wenn so eine Konstruktion sinkt?" Und auch die russische Sektion von Greenpeace reagierte: Die AKW-Schiffe stellten ein "erstrangiges Ziel" für einen Terrorangriff dar. Jeder dieser Reaktoren enthalte 960 Kilogramm waffenfähiges Uran.

Atomphysiker Bøhmer spricht von einer möglichen "schwimmenden Atombombe". Er macht sich jedoch über die russischen Machtverhältnisse keine Illusionen: "Wenn Gazprom sich dort für Atomkraft entschieden hat, dann wird das wohl auch realisiert."

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