Sportschützen als Untermieter: Schulen mit Schuss

An Schulen in NRW wird seit Jahren nach Unterrichtsschluss im Keller geschossen. Schützenvereine haben dort ihre Schießstände. Die Grünen hätten gern ein Verbot.

In den Schulkellern von NRW wird so manche Waffe geladen. Bild: dpa

BERLIN taz | Zehn Wochen nach dem blutigen Amoklauf von Winnenden, bei dem 15 Menschen ums Leben kamen, sitzt der Schock bei vielen noch immer tief. Bloß an einigen Schulen in Nordrhein-Westfalen nicht: An mindestens sechs Schulen in Gelsenkirchen und weiteren in Neuss, Mühlheim und Mönchengladbach wird das Schießen an Schulen gar trainiert.

An eigens dafür angelegten Schießständen zumeist im Keller der Schulgebäude gehen Sportschützen nach Unterrichtsschluss ihrem Hobby nach. "Wir halten Schulen nicht für den geeigneten Ort für die Schießanlagen", sagte Thomas Breuer, Sprecher des Schulministeriums in NRW. Er versicherte, dass das Ministerium in den nächsten Wochen Gespräche aufnehmen werde, um Alternativen zu finden.

"Für uns als Unesco-Friedensschule ist das vor allem ein Imageproblem", sagte Felizitas Reinert, Schulleiterin der Gesamtschule Ückendorf in Gelsenkirchen. Sie selbst wisse gar nicht, wann und wie oft die Schützen an ihrer Schule überhaupt trainieren. Mira Furtász, Sprecherin des Verbands Bildung und Erziehung, weiß auch warum: Die kommunalen Schulämter könnten die Schulräume nach Schulschluss an Interessenten vermieten, darunter auch an Schützenvereine. Die Schulleiter selbst hätten damit nichts zu tun.

Der zuständige Schuldezernent der Stadt Gelsenkirchen Manfred Beck rechtfertigte sich für die Raumvergabe an Schützenvereine. Er selbst findet zwar Sportschützen an Schulen nicht zeitgemäß. An einigen Schulen würden die Schützenvereine jedoch seit 30 Jahren trainieren. Wenn die Sportschützen nicht mehr die Schulgebäude nutzen dürfen, müsse man ihnen eine Alternative bieten, sagte Beck.

Jörg Jagener, Geschäftsführer des Westfälischen Schützenbundes, verwies auf die langen Mietverträge über die viele Vereine verfügen würden. Für die Kommunen sei es zudem viel günstiger, die Schützenvereine in den Schulräumen unterzubringen als diese für zusätzliche Räume zu bezuschussen wie es bei anderen Sportvereinen üblich sei. Schuldezernent Beck versicherte, dass an Schießständen an Schulen nur mit kleinkalibrigen Waffen geschossen werde, nicht mit Großkalibern. Zudem würden sowohl Waffen als auch Munition getrennt und sicher in Waffenschränken aufbewahrt. "Es ist praktisch nicht möglich, beide Tresoren zu öffnen", sagte Beck.

Das die Waffen nicht an allen Schulen mit Schießständen sicher aufbewahrt sind, zeigt eine Anfrage der nordrhein-westfälischen Grünen im Düsseldorfer Landtag. Schulministerin Barbara Sommer musste zugeben, dass es allein 2005 in Gelsenkirchener Schulen mit Schießständen drei Einbrüche gegeben hat. Zwei Mal wurden Waffen mit insgesamt 50.000 Schuss Munition gestohlen.

Sigrid Beer, bildungspolitische Sprecherin der Grünen in NRW, gab sich mit der Stellungnahme der Landesregierung daher auch nicht zufrieden. Die Landesregierung wisse nicht mal, in wie vielen Schulen überhaupt geschossen werden, beschwerte sich Beer. In NRW gebe es rund 5.600 Schießstände, die zum Teil auch in anderen öffentlichen Gebäuden untergebracht seien.

Schulleiterin Reinert in Gelsenkirchen sieht die Schützenverbände rechtlich zwar auf der sicheren Seite stehen. Dennoch hofft sie, dass nach den Amokläufen in Winnenden die Debatte um die Schießstände an Schulen neu aufgerollt wird.

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