piwik no script img

Sportler ins Olympische Dorf zwangseingewiesenVorauseilende Vergiftungsbefürchtung

Weil sie im Hotel keine sauberen Speisen garantieren können, haben Pekinger Offizielle Sportler ins olympische Dorf zwangseingewiesen.

Vorfreude schnell gedämpft: deutsche Beachvolleyballerin Okka Rau. Bild: ap

BERLIN taz Bevor Okka Rau auf dem Frankfurter Flughafen den Flieger bestieg, war die Euphorie noch grenzenlos: "Ich freue mich wirklich riesig auf die Olympischen Spiele", sagte die Beachvolleyballerin. "Diese besondere Atmosphäre ist einfach einmalig." Nach der Landung in Peking wurde die Vorfreude jedoch jäh getrübt.

Dort erfuhren die deutschen Sandwühler, dass sie ihr Trainingsquartier im Hotelkomplex Hongfu Gardens nicht beziehen dürfen. Auch die Kollegen aus der Schweiz standen vor verschlossenen Türen. Das Management gab an, es sei von höchster Ebene gestoppt worden. Das mächtige Organisationskomitee Bocog habe Veto eingelegt. Begründung: Die Sicherheit der Sportler sei nicht zu gewährleisten, zudem gebe es keine Garantie, dass das Essen sauber sei. Stattdessen wurde verfügt, die Athleten müssten im olympischen Dorf nächtigen. In Hongfu Gardens dürfen sie sich lediglich tagsüber zum Trainieren aufhalten. "Wir waren geschockt", sagt Nationalspieler Christoph Dieckmann. Michael Tank, Delegationsleiter, misstraut den Gastgebern: "Ich glaube deren Argumentation nicht", sagt der Arzt aus Hamburg, "die Intention ist, uns zu kontrollieren."

Damit scheinen sich Befürchtungen zu bewahrheiten, dass die Organisatoren ihre Gäste und die Sportler äußerst restriktiv behandeln werden. "In westlichen Gefilden würden wir auf die Barrikaden gehen", sagt Roger Schnegg, Direktor von Swiss Volley, "aber hier bleibt uns nichts anderes übrig, als das Beste aus der misslichen Situation zu machen." Schnegg wurde Montagabend von der Entwicklung überrollt. "Bis dahin war alles klar, doch zehn Stunden bevor die Sportler eingetroffen sind, ist plötzlich alles geplatzt." Der Funktionär berichtet, dass der Hotelmanager von der Polizei mitgenommen wurde und nach seiner Rückkehr mit Bedauern mitteilte, die Vereinbarungen nicht einhalten zu können.

Dabei bleibt die Informationslage bislang dürftig, weil sich die Entscheidungsträger im Hintergrund halten. "Das Problem ist", so Schnegg, "dass von der Bocog niemand mit einem redet." Für den Schweizer ist das frustrierend, schließlich hatte er ein Quartier ausgesucht, das ideale Bedingungen bietet: Nördlich von Peking ist ein gigantisches Projekt verwirklicht worden, in dem praktisch alles zu finden ist, was es an Bildungs-, Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten gibt. Mit Mitteln aus Deutschland und der Schweiz war extra ein Beachfeld mit dem gleichen Sand installiert worden, auf dem auch während der Spiele gebaggert wird. Ein weiterer Vorteil der Anlage ist, dass die Sportler dort weitgehend von der verschmutzten Luft des Zentrums verschont bleiben.

Doch nun sind die Pläne durchkreuzt worden, die Sportler und ihre Begleiter mussten sich gegen ihren Willen umorientieren. Eine Katastrophe bedeutet die von den Machthabern erzwungene Lage wohl nicht. "Schließlich", so Dieckmann, "können wir über das olympische Dorf und die Menschen hier überhaupt nichts Schlechtes sagen." Doch ein niederdrückendes Gefühl bleibe: "Wenn dir jemand vorschreibt, wie du dich vorzubereiten hast", so Dieckmann, "sagt das viel aus über diesen Staat und wie er geführt wird." FELIX MEININGHAUS

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • T
    tressi

    Wenn schon keine Pressefreiheit dann wenigstens Dopingfreiheit! Da weiß man wenigstens, dass die beste Chemiefirma gewinnt.....und hat was davon!

     

    Ich habe derzeit null Bock auf olympische Bewegungen in den Medien und überhaupt!

  • A
    Andi

    @ Benjamin:

    Weil die Sportler jahrelang für diesen Wettkampf trainieren und auch auf Sponsoren- und Preisgelder angewiesen sind. Wenn eine Handvoll Athleten die Spiele boykottiert, bringt das so gut wie nichts, außer ihnen persönlich negative Nachteile. Wirklich etwas ändern an der Situation könnten folgende drei Gruppen:

    - Die Großsponsoren der Olympischen Spiele wie Adidas, Volkswagen, McDonalds und Coca Cola.

    - Wirtschaftsunternehmen, die in China investieren, wie BASF und Siemens.

    - Die deutsche Regierung unter Frau Merkel.

     

    Und natürlich jeder von uns, der diesen Gruppen schreibt, dass wir dies von ihnen erwarten und sie ansonsten boykottieren bzw. nicht mehr wählen werden.

  • N
    nadine

    War doch klar! Die chinesische Regierung ist viel zu mächtig und hat zuviele Interessen zu verteidigen um sich an "Absprachen" zu halten. Und die Sportler wollen teilnehmen und Gold gewinnen - da ist alles andere zweitrangig. China braucht Zeit zum öffnen - da ändern die Olympischen Spiele auch nichts dran. Ausserdem sind die Spiele vor allem ein grosses Geschäft, da will niemand was verpassen....

  • B
    Benjamin

    Bleibt fraglich, warum auch nach solchen Aktionen immer noch keine Sportler die Spiele boykottieren??????????