Sponsoren-Affäre der NRW-CDU: Mieten Sie Rüttgers!
Für 5.000 Euro gibt es einen Stand auf einem CDU-Kongress, für 20.000 ein Treffen mit NRW-Ministerpräsident Rüttgers. Die NRW-CDU ging weit über die gängige Praxis hinaus.
BOCHUM taz | Es war eine schöne Rede von Jürgen Rüttgers. "Wir dürfen nicht zulassen, dass unser Land auseinanderfällt", rief der nordrhein-westfälische Ministerpräsident den Teilnehmern des Zukunftskongresses der Landes-CDU im März vergangenen Jahres zu. "Wir brauchen wieder eine Kultur des Miteinanders." Danach wurde auch gleich gekuschelt - mit den Sponsoren. Am Stand von Eon wartete schon deren Referent für Politik auf Rüttgers. "E.ON im Dialog" stand auf einer Stellwand.
Auch in diesem Jahr, am 5. März in Neuss, können Sponsoren auf dem Zukunftskongress der NRW-CDU mit Rüttgers kuscheln. Wie intim es wird, kann man selber bestimmen. Für 5.000 Euro gibt es einen Ministand und ein paar Freikarten für die Abendveranstaltung. Für 16.000 Euro ("Partnerpaket III") kommt man hingegen in den Genuss einer "moderierten Roadshow mit Herrn Dr. Jürgen Rüttgers", wie der Besuch an Messeständen im Marketing-Sprech heißt. Außerdem im Paket: "Platzierung eines Vertreters Ihres Unternehmens an den Top-VIP-Tischen" am Abend.
Für die Organisation der CDU-Zukunftskongresse zuständig ist die Kölner PR-Agentur "bi:vent". Genau diese Agentur organisiert auch Veranstaltungen für die "Initiative Forum Zukunft". Deren Chef ist der ehemalige Bundesgeschäftsführer der CDU, Willi Hausmann. Im Kuratorium sitzt Jürgen Rüttgers. Die beiden kennen sich gut. Im Wahlkampf 2005 wurde Rüttgers von Hausmann beraten.
Ein jährlicher Höhepunkt der Initiative ist der "Innovationskongress" im alten Bundestag in Bonn. Auch hier können die Sponsoren die Nähe zu Politikern über den Geldbeutel bestimmen. Ein Platz an den "Top-VIP-Tischen" kostet hier sogar 22.000 Euro. 2008 entschied sich die Firma "Ströer Deutsche Städte Medien" dafür, ein solcher "Platin-Sponsor" zu sein. Ein Foto von der Veranstaltung zeigt Rüttgers feixend mit dem damaligen Geschäftsführer des Unternehmens.
Alles nur Zufall?
Nach und nach kommen immer mehr Details ans Licht, die nahelegen, dass Rüttgers wenn nicht käuflich, so doch zumindestens mietbar ist. Ausgelöst hatte die Affäre ein am Wochenende bekannt gewordenes Angebot der NRW-CDU an Sponsoren. Für den kommenden Landesparteitag wurde ihnen offeriert, für 20.000 Euro ein Paket inklusive "Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen" zu bekommen.
Das ist doppelt pikant: Versucht hier doch eine Partei mit einem Amtsträger Kasse zu machen. Gleichzeitig wird der Eindruck vermittelt, Firmen könnten Einfluss auf die Landesregierung nehmen, indem sie der CDU Geld geben. "Wenn für ein Gespräch mit einem führenden Politiker Geld verlangt wird, ist das rechtswidrig", erregt sich denn auch der Osnabrücker Parteienrechtler Jörn Ipsen.
Bisher hat Rüttgers versucht, die Verantwortung auf den am Montag geschassten Generalsekretär Hendrik Wüst abzuwälzen. Er selber habe von solchen Praktiken nichts gewusst, und es habe in der Vergangenheit auch keine derartigen Einzelgespräche gegeben, beteuert er wieder und wieder. Nach nur 29 Stunden präsentierte Rüttgers einen neuen Generalsekretär: Andreas Krautscheid, bisher Bundes-, Europa- und Medienminister. Der 49-Jährige pflegt beste Kontakte zu den Grünen, seit er in den Neunzigern die Bonner "Pizza-Connection" mit gründete.
Immerhin lenkt die Affäre die Aufmerksamkeit auf einen bislang kaum wahrgenommen Bereich. Dabei machen Experten schon lange auf die Probleme mit dem Sponsoring aufmerksam; in den vergangenen Jahren ist vor allem auf Parteitagen die Zahl der Sponsoren immens gestiegen. Die Parteien erhoffen sich, durch Standmieten die hohen Kosten der immer bombastischeren Events wenigstens teilweise wieder hereinzuholen. Die Ausgaben reichen inzwischen in den siebenstelligen Bereich.
Für die Firmen ist Sponsoring allein deshalb interessant, weil sie die Ausgaben von der Steuer absetzen können. Für Parteispenden von Unternehmen gilt das nicht. Noch problematischer ist aus Sicht von Experten aber, dass in den Rechenschaftsberichten der Parteien dieses Geld nicht unter Spenden auftaucht, sondern unter "sonstigen Einnahmen". Und während Spenden ab 10.000 Euro mit Nennung des Firmennamens veröffentlicht werden müssen, gilt das für Sponsorengelder nicht. Parteienrechtler Ipsen spricht deswegen von "verdeckten Parteispenden" und einer "Umgehung des Parteiengesetzes".
Gilt das nur für die CDU?
Beim SPD-Parteitag in Dresden Mitte November mieteten insgesamt 80 Aussteller Flächen. Unter den Sponsoren waren Audi, Philip Morris, Pfizer und Vattenfall. Die Preise lagen laut einem Flyer, der an potenzielle Sponsoren ging, bei 320 bis 350 Euro pro Quadratmeter.
Freilich wirbt auch die SPD in ihren Schreiben an Sponsoren schon mal mit der Nähe zu ihrem Spitzenpersonal. So hieß es in einem Anschreiben an potenzielle Aussteller vor dem Parteitag der NRW-SPD im April 2009 im westfälischen Halle: "Es ist 99%ig sicher, dass Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier in Halle teilnehmen werden, und wir gehen davon aus, dass wir mit beiden und natürlich auch mit Hannelore Kraft (…) und weiteren Vertretern des Landesvorstands den Stand besuchen werden!" In einem Anmeldebogen konnte man "besondere Wünsche" eintragen. Etwa: "Foto-Termine" und "Gesprächspartner aus bes. Fachbereichen".
Im Unterschied zur Rüttgers-CDU hat die SPD aber, soweit bekannt, keine Treffen gegen Zusatzzahlungen angeboten. "Bei der SPD gibt es keine Gespräche gegen Geld", sagt ein Sprecher der NRW-SPD. Wortgleiches ist von einer Sprecherin der Bundespartei zu hören.
Auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen im Mai 2009 im Berliner Velodrom mieteten neben Greenpeace Energy auch Firmen wie O2 und Vodafone Stände an, ebenso Lobbyisten vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft oder dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller. Die Mieten lagen zwischen 120 und 225 Euro pro Quadratmeter, insgesamt brachten die 38 Aussteller den Grünen nach eigenen Angaben 76.000 Euro ein.
Doch auch zu der Delegiertenkonferenz der Grünen kommen die Firmen und Verbände nicht nur, um Broschüren auszulegen. Bei einem offiziellen Ausstellerrundgang kommen die Parteivorsitzenden an den Ständen vorbei. Darüber hinaus können auch Kontakte zu Fachpolitikern hergestellt werden, wie die Grünen freimütig einräumen. "Wenn ein Vertreter des Sparkassenverbands mit einem unserer Finanzexperten ins Gespräch kommen will, dann schauen wir, ob sich das in einer Pause einrichten lässt", sagt Daniel Holefleisch, Vorstandsreferent der Grünen für Unternehmenskontakte. "Solange man dafür kein Geld nimmt, ist das legitim."
Jedenfalls scheint das System "Rent a Rüttgers" weit über das hinauszugehen, was bei anderen Parteien üblich ist. Wie inzwischen bekannt wurde, geht Rüttgers chronisch klamme CDU Unternehmen schon seit mindestens sechs Jahren um Geld an. Bereits 2004 - ein Jahr vor Rüttgers Amtsantritt in Düsseldorf - wurde in Medien über die Finanzierung seiner öffentlichkeitswirksamen "Zukunftskongresse" diskutiert.
Der Verdacht schon damals: Es könne sich um verdeckte Parteispenden handeln. Auch 2004 verschickte die Parteizentrale Bettelbriefe. Auch damals sei mit der Nähe zu Rüttgers geworben worden, berichtet der Westdeutsche Rundfunk. Allerdings hätten die Preise mit 14.000 Euro für das teuerste Paket deutlich niedriger gelegen - die CDU war eben noch nicht Regierungspartei.
Sponsern ließen sich die Christdemokraten offenbar auch nach der Regierungsübernahme. Verschiedene Medien berichten, bei ihnen habe sich ein Entscheidungsträger eines kommunalen, also öffentlich finanzierten Unternehmens gemeldet: Schon 2006 habe er sich gewundert, dass "man für eine fünfstellige Summe sogar am Tisch von Rüttgers platziert" wurde.
Die Frankfurter Rundschau zitiert den Sprecher des Bundesverbands der Zeitarbeit, Michael Wehran: Treffen mit politischen Entscheidungsträgern wie Rüttgers seien "wie auf jeder Messe" natürlich Teil des Agreements und würden bei einer Standmiete von mehreren tausend Euro erwartet. "Diese Treffen mit Rüttgers wurden in Telefonaten und informellen Gesprächen ausgehandelt", so der PR-Profi.
Merkwürdig bleibt, dass Rüttgers von alldem nichts gewusst haben will. Als CDU-Landesvorsitzender müsste er sich um die desolate Finanzlage seiner Partei gesorgt haben. Schließlich war sein erfolgreicher Wahlkampf des Jahres 2005, mit dem er die Sozialdemokraten nach 39 Jahren in ihrem einstigen Stammland Nordrhein-Westfalen von der Macht verdrängen konnte, ziemlich teuer. 5 Millionen Euro ließen sich die Christdemokraten Rüttgers Wahlsieg kosten. Eingeplant waren 3,7 Millionen.
Doch der Regierungschef kann hinter seine am Wochenende hektisch errichtete Verteidigungslinie nicht zurück. "Ein Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen ist nicht käuflich", sagte er am Mittwoch. Sollte er einräumen müssen, doch von den verkauften Gesprächen mit ihm gewusst zu haben, bliebe ihm nur der Rücktritt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren