: Spitzensport im Verborgenen
Die 3. World Games der nichtolympischen Sportarten als Testfeld für die Olympischen Spiele / Unschlagbare Eidgenossen düpieren im Tauziehen die Favoriten aus Irland und England ■ Aus Karlsruhe Uwe Rosentreter
Von der Öffentlichkeit wenig beachtet, wetteifern in Karlsruhe 4.000 Namenlose aus 60 Ländern in 21 Sportarten um nichtolympische Ehren. Zugelassen sind nur Spitzensportler, die sich in internationalen Wettbewerben qualifiziert haben.
Die 3. World Games (nach 1981 in Santa Clara/USA und 1985 in London) sollen diesem Sportereignis zum Durchbruch verhelfen. Die Idee entstand aus der Erkenntnis, daß eine weitere Öffnung der Olympischen Spiele kaum zu erreichen sein werde. Dennoch hatte der IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch, dem die eigenständige Veranstaltung erst mal recht ist, ein paar salbungsvolle Worte zur Eröffnung parat. Denn die Weltspiele in Karlsruhe könnten zeigen, ob nicht die ein oder andere hier gezeigte Sportart mehr Zuschauer und Geldgeber anzieht als manch „unattraktive“ olympische Disziplin - im nächsten Jahr wird über das olympische Programm neu entschieden werden.
Im Kontrastprogramm zu Boris & Co fielen am Wochenende die ersten Entscheidungen, zum Beispiel im Tauziehen, das in Karlsruhe in zwei (Mannschafts-)Gewichtsklassen, 640 und 720 kg, ausgetragen wurde. Als Topfavoriten waren die Engländer und die Iren gehandelt worden. Bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr lieferten sie sich den längsten Fight in der Geschichte des „Tug of War“, wie dieser von Matrosen erfundene Kraftsport im englischen heißt: 24:45 Minuten lang stemmten sich die beiden Mannschaften gegeneinander.
In Karlsruhe jedoch hatten im ersten Kampf zwischen der Schweiz und Irland die Eidgenossen den ausgeglicheneren, kräftigeren Zug und gewannen glatt mit drei zu null Punkten. (Ein Kampf besteht aus drei Zügen; gewinnt eine Mannschaft die ersten beiden „pulls“, gehört ihr auch der dritte). Bei Temperaturen, die einem beim bloßen Zuschauen die Hände feucht werden ließen, schwitzten die Schweizer gegen Spanien und die Niederlande nicht lange - sie gaben auch gegen diese beiden Mannschaften keinen Punkt ab. Dann ging's gegen Weltmeister England. Den ersten Punkt machten erwartungsgemäß die Briten, die beiden nächsten Züge entschieden jedoch die Schweizer (ohne Matrosen, allesamt Handwerker) für sich. Damit war alles klar, der letzte Kampf gegen die Schweden war für die starken Männer aus dem „Seilziehclub Stanz“ im Kanton Nietwalden beim Vierwaldstätter See reine Formsache.
Das Nachsehen hatten die Veranstalter, die die Begegnungen so gelegt hatten, daß aus der letzten Partie des Wettbewerbes ein „echtes Finale“ hätte werden sollen. Dabei ging's dann „nur“ noch um Platz zwei, den sich die Iren gegen die vom Kampf gegen die Schweiz noch schlappen Engländer holten.
Den Erfolg seiner Mannschaft begründete der Schweizer Coach damit, daß die Konkurrenz zum nur zwanzig Kilometer entfernten Nachbarklub Engelberg seine Männer derart motiviere, daß sie trainierten wie verrückt, um die Besseren zu sein.
Das Schlußlicht bildeten die Niederländer, die im Tauziehen keinen Punkt machen konnten, sich aber um eine andere Wettkampfsportart dieser 3. World Games verdient gemacht haben: Korfball (Korf holl. Korb). Korfball, von dem niederländischen Lehrer Broekhuyzen um die Jahrhundertwende entwickelt, ist in Holland eine der meist verbreiteten Sportarten. Die wichtigsten Ziele des Spiels sind Fairneß und gleichberechtigtes Zusammenspiel von Frauen und Männern. Ein Team besteht aus vier Frauen und vier Männern, die versuchen, bei möglichst körperlosem Spiel, den einem Fußball ähnlichen (ca. 200 Gramm schweren) Korfball im gegnerischen Korbgeflecht unterzubringen. Zum echten Mannschaftsspiel wird Korfball dadurch, daß mit dem Ball nicht gelaufen oder gedribbelt werden darf. Es gibt direkte GegenspielerInnen (Frauen gegen Frauen, Männer gegen Männer), Größenunterschiede spielen keine Rolle. Kann ein kleiner Spieler einen Ball nicht abwehren, muß der Schiedsrichter assoziieren, wie die Situation bei gleichgroßen Spielern ausgegangen wäre und entsprechend entscheiden.
Weltmeister Holland galt unter Fachleuten als Favorit und konnte es sich leisten, in diesem Sport „Entwicklungshilfe“ zu betreiben. Taiwan, von niederländischen Lehrern vorbereitet, nahm 1987 erstmals an einem internationalen Wettbewerb, den Weltmeisterschaften in Holland, teil und konnte auf Anhieb die überraschte Mannschaft aus der Bundesrepublik schlagen. Zwar verlor Taiwan das Spiel um den dritten Platz knapp gegen die Briten, dennoch wurde begonnen, diese Sportart an Schulen und Universitäten gezielt zu fördern. Allerdings dürfte es um die Zukunft des Korfball in Taiwan düster aussehen, wenn das asiatische Team diesmal ohne Medaille nach Hause kommt.
Mindestens genauso gespannt wird die „International World Games Association“ (IWGA) sein, ob die Rechnung ihrer Vermarktungsstrategen von der Londoner Agentur Pascoe Nally aufgeht. Denn die Weltspiele der nichtolympischen Sportarten haben auf Dauer nur eine Chance, wenn zumindest der 3,7 -Millionen-Mark-Etat dieses Jahr wieder erwirtschaftet werden kann.
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