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Spitzelaffäre der BahnMehdorn klebt am Stuhl

Trotz neuer Vorwürfe in der Datenaffäre weigert sich Bahnchef Mehdorn zurückzutreten. Laut einem Zwischenbericht ließ die Bahn-Konzernspitze nach Mail-Kontakten zu Journalisten fahnden.

Will seinen Sessel partout nicht räumen: Bahnchef Mehdorn. Bild: dpa

BERLIN ap/rtr/dpa Bahnchef Hartmut Mehdorn will trotz neuer Vorwürfe in der Datenaffäre im Amt bleiben. Vor Journalisten sagte er am Freitagabend in Berlin, es werde sein Rücktritt gefordert, ohne dass die Untersuchungen beendet seien. "Hierfür stehe ich nicht zur Verfügung." Gewerkschaften und die Opposition im Bundestag hatten

zuvor Mehdorns Rücktritt verlangt.

Der Bahnchef bekräftigte, dass weiterhin keine strafrechtlich relevanten Verstöße festgestellt worden seien. Eine behauptete flächendeckende E-Mail-Überwachung oder Inhaltskontrolle "hat nicht stattgefunden". Er bleibe bei seiner Aussage: "Durch die DB AG wurde niemand bespitzelt - weder Journalisten noch Aufsichtsräte noch Politiker oder Gewerkschafter, auch keine Mitarbeiter."

Zuvor war bekannt geworden, dass sich der Ausspähskandal bei der Deutschen Bahn größere Ausmaße hatte als bislang bekannt. Wie nach der Aufsichtsratssitzung am Freitag bekannt wurde, ließ die Konzernspitze die E-Mail-Korrespondenz der Mitarbeiter gezielt nach Kontakten zu Journalisten durchsuchen und ohne Wissen der Betroffenen an eine interne Kontrollinstanz weiterleiten. Dies geht aus dem Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG sowie der ehemaligen Bundesminister Gerhart Baum (FDP) und Herta Däubler-Gmelin (SPD) hervor, die das Gremium über den Stand ihrer Arbeit informierten.

"Wir haben die Ergebnisse unserer Untersuchungen vorgestellt, und jetzt müssen andere die Schlussfolgerungen ziehen", sagte Baum. Die Bahn-Gewerkschaften fordern wegen der Datenaffäre den Rücktritt von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. "Mehdorn muss entweder selber oder die Eigentümer der Bahn müssen diese Konsequenzen ziehen", sagte der Chef der Gewerkschaft Transnet, Alexander Kirchner. Mehdorn sei für die Datenaffäre verantwortlich.

Laut Angaben aus Aufsichtsratskreisen rasterte die Konzernrevision 2005 die elektronische Post sämtlicher Beschäftigten. Überprüft wurde, ob die Mails an Bahn-Kritiker auch aus dem Bundestag oder an bestimmte Redaktionen gegangen seien. Ziel sei es gewesen, Konzernkritiker kaltzustellen. Wer genau die Aktion umsetzte und ob auch externe Detekteien daran beteiligt waren, sei noch unklar, weil Akten fehlen. Die Sonderermittler würden nun eine Liste mit Namen von Journalisten zusammenstellen, nach deren Namen die Mails überprüft wurden.

Bislang war bekannt, dass die Bahn mehrmals die Daten fast der kompletten Belegschaft mit denen von Zulieferern abgeglichen hat. Damit sollte nach Angaben der Bahn Hinweisen auf Bestechung und Bestechlichkeit nachgegangen werden. Der Betriebsrat wurde darüber ebenso wenig informiert wie die Mitarbeiter nach den Überprüfungen. Bahnchef Hartmut Mehdorn hat stets betont, er habe von den Aktionen der ihm direkt unterstellten Revisionsabteilung nichts gewusst. Eine Überwachung von Aufsichtsräten oder Journalisten habe es zudem nicht gegeben.

Im Aufsichtsrat sorgte der Bericht der Ermittler nach übereinstimmenden Angaben erneut für Unmut über Mehdorn. Dieser Vorgang sei eine "Katastrophe" für das Staatsunternehmen, das mit solchen Aktionen kein Vorbild für den Umgang mit Mitarbeitern sei, zitierte die Süddeutsche Aufsichtsratskreise. Besonders die Gewerkschaftsvertreter seien empört und diskutierten nun darüber, ob Mehdorn als Bahnchef noch haltbar sei.

Auch der Vertreter des Bundesverkehrsministeriums im Aufsichtsrat, Staatssekretär Achim Großmann, ging auf Distanz zu dem Bahnchef. "Wenn es so passiert ist, ist es dramatisch", sagte Großmann nach der Sitzung. Auf die Frage nach der Zukunft von Mehdorn antwortete Großmann: "Fragen Sie mich das eher mal nächste Woche." Man solle aber nicht übereilt handeln. Die Bahn äußerte sich zu den Vorwürfen bis Redaktionsschluss nicht. Laut Süddeutscher hält sie diese Aktion aber rechtlich für zulässig. Bis Ende 2007 sei der Belegschaft untersagt gewesen, ihr dienstliches E-Mail-System für private Zwecke zu nutzen. Erst dann sei eine Konzernvereinbarung über den E-Mail-Verkehr geschlossen worden. STEP

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16 Kommentare

 / 
  • RG
    Roland Grundl

    Wie man jetzt so erlebt sind doch fast alle der sogenannten Eliten wie Mehdorn, eitel, raffsüchtig, skrupelos. Wenn sie nicht so wären häte sie sicherlich diese Position nicht erreicht.

    Wie es eben schon immer war. Und vielleicht weiß er auch einiges was im Hintergrund des Börsenganges schon alles angeschoben war.

  • V
    vic

    Mehdorn klebt am Stuhl?

    Ich schlage vor, dass er den Stuhl als Abfindung mitnehmen kann.

  • R
    rugero

    Dieser egomanische Zwerg ist bar jeder Selbstkritik und von der Wirklichkeit in einem Maße abgerückt, daß er auf dem Managerstuhl nichts mehr zu suchen hat. Das ist alles nur noch unendlich peinlich für die Bahn und für die Politiker, die den kleinen Herrn Mehldorn decken - aus was für Gründen auch nimmer

  • A
    Alternativen ?

    Wie soll man den dekadenten, durch und durch korrupten staatsmonopolistischen Kapitalismus kommentieren ? Seit vielen Jahren liest man ungemein intelligente Analysen, Kritiken und Reformvorschläge zum kapitalistischen Wirtschafts- und Akkumulationssystem. Schert das die Kapital- und Machthaber auch nur eine Zehntelsekunde? Das Volk wird ignoriert oder ausgelacht! Mit Sprüchen wie: "Ohnmächtig sind immer nur die Machtlosen" werden die Leute verhöhnt und die zu beobachtende Agonie verstärkt. Gratuliere !

  • L
    lenny

    stimme E.Stopp voll und ganz zu!hoffenlich bekommen merkel,steinmeier& co bei den wahlen die quittung!der kapitalismus hat versagt.doch die "da oben" machen weiter wie bisher.armes deutschland!

  • H
    Holger

    Ob Mehdorn eine sympatische Person ist mag dahingestellt sein. Die öffentliche Empörung und Forderungen nach einem Rücktritt bei jeder neuen kleinen Meldung zeugen eher von einer öffentlichen Sensationslust. Anscheinend kann die Gesamtheit der Journalisten nicht über dieses Thema berichten ohne permanent Konsequenzen zu fordern. Und die Masse nimmts dankbar an. Es passt ja so schön zu den schwierigen Zeiten mit den bösen Managern und den armen Angestellten, die nun auch noch ausgespäht werden. Wo soll das nur hinführen?

    Was wären denn Alternativen zu Mehdorns Vorgehen? Wie soll man denn Mitarbeiter finden die dem Konzern gewissenlos Schaden zufügen? Indem eventuelle Untersuchungen vorher an die grosse Glocke hängt und somit dafür sorgt nichts zu finden?

    Natürlich ist es unschön, wenn der Emailverkehr der Mitarbeiter ausgespäht wird. Aber zum einen betrifft das nur die Dienst-emailadresse, und zum anderen wurde bisher kein Gesetzbruch bei diesen Untersuchungen festgestellt.

    Also wozu das Rumgejammere und all diese Forderungen nach Rücktritt? Dann sollte man stattdessen Gesetzesänderungen fordern. Und Plattitüden dreschen ala "Der Zweck heiligt nie die mittel" , "die Demokratie geht zugrunde.." kann jeder. In der Vorstellungswelt solcher Leute hat Mehdorn bestimmt den ganzen Tag an seinem Schreibtisch gesessen und den privaten Emailverkehr seiner Mitarbeiter durchforstet.

    Dabei hat er es besonders auf intime Liebesbriefe abgesehen, über deren Inhalt er noch auf dem Heimweg lacht.

  • M
    Mark

    Solange Konzern-Bosse Freunde und Komplizen in der Politik haben, können wir doch nicht erwarten, dass Politiker etwas unternehmen werden.

     

    Die "bösen" Lobbyisten haben es mal wieder geschafft.

    So regiert man also ein Land, aus der Industrie heraus. Interessante Zukunft erwartet uns also, wenn schon heute die Politik zur Hälfte aus Konzerninteressen besteht.

     

    Wo ist denn hier noch das Volk im Mittelpunkt?

     

    P.s.: Nicht vergessen, schön viel Milch trinken, damit die Milchpreise unten bleiben. Öh?

  • I8
    ICE 884

    Ich kann den Mann gut verstehen, bei seinem Gehalt müßte man mich auch operativ vom Stuhl entfernen.

    Die Erfolgsstory:

    - Privatisiereung ist (zum Glück) gescheitert

    - das Krisenmanagement im Streik war unter aller Sau

    - Bespitzelung der eigenen Mitarbeiter

    - Bekämpfung der Bahnkunden (Servicewüste)

    - Image der Bahn ruiniert

     

    Der Mann ist ein Bahnungück auf Beinen

  • J
    Justiz1

    Moral, Ethik und Anstand - neue Werte braucht das Land

    Unser bisheriges System ist am Ende. Gier und Abgehobenheit haben zu diesem Crash des Wirtschafts- und Finanzsystems ebenso beigetragen, wie die Unfähigkeit von Managern und Politikern.

    Gestern waren es noch dieselben Wirtschaftsfachleute, die sich ständig aufgeregt haben, wenn sich der Staat einmischen wollte und Aussagen wie "Der Markt reguliert sich selbst." trafen, sind es heute diejenigen, welche sich wiederum die Taschen voll machen, auch - und gerade dies ist moralisch verwerflich - wenn, wie hier, Banken durch Steuergelder unterstützt werden. Der Schaden ist gross.

    Menschen, die einst Achtung vor dem Wissen der Wirtschaftsjongleure und Politiker sowie vor dem System der Demokratie hatten, verlieren diese zunehmends und nachhaltig.

    Schon gibt es die ersten Rufe nach Selbstjustiz. Die Frage ist warum? Warum kommt niemand auf die Idee, Systemkritische Fragen zu stellen.

    Braucht Deutschland und der Finanzmarkt solche Manager? - Manager, denen die eigene Geldbörse näher ist als der Mitarbeiter, das eigentliche Kapital? Braucht Deutschland Manager, die das Vertrauen der Mitarbeiter verspielt haben, wie der Bahnchef. - Oder schaden solche Personen nicht nachhaltig den Wirtschaftsstandort Deutschland. Warum wird an Personen festgehalten, die versagt haben. Es gibt genügend Wirtschaftsfachleute, die in der Lage sind, ein angeschlagenes Unternehmen wieder auf den richtigen Weg zu bringen.

    Die Krise ist selbstgemacht. - Ich hoffe, dass Wahltag wirklich Zahltag ist.

  • A
    Amos

    " Das System hat mich zu dem gemacht was ich bin und

    deshalb bleibe ich". Irgendwie versteht man das ja

    auch. Denn diese Leute werden von der Politik eingesetzt, weil die selber für diese Art von Management nicht geeignet oder sich nicht die Finger

    verbrennen wollen. Die Politik steht immer gut da

    wenn sie die Drecksarbeit (hochbezahlt versteht sich) lieber von anderen machen lässt. Das sieht

    man bei Hartz IV, bei der Post, Bei der Bahn, alles

    Ressorts, die sie von sich abgewälzt haben.

  • P
    petermann

    Mein Verdacht war schon immer, dass dieser Mann eine unappetitliche Fotosammlung o.ä. in irgendeinem "Giftschrank" liegen haben muss, anders ist es wohl kaum noch zu erklären, dass die Politik ihn auch diesmal nicht abserviert!

  • D
    Dennis

    Es ist wirklich eine Unverschämtheit, dass Mehdorn immer noch sein Amt inne hält.

     

    Wenn er von den Affären gewusst hat, dann ist ein Rücktritt nun endlich angebracht nach dem, was Mehdorn der Bahn angetan hat. Hat er von dem ganzen nichts gewusst dann ist der Rücktritt umso angebrachter. Wer nicht weiß, was in seinem Unternehmen vorgeht und es nicht unter Kontrolle hat, hat an der Spitze nichts zu suchen.

     

    In praktisch jeden anderen Unternehmen wäre er seinen Job los. Es kann nicht angehen, dass Herr Mehdorn mit aller Gewalt in seiner Stellung gehalten wird.

     

    ... und so etwas will an die Börse *kopfschüttel*

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    Diese Regierung ist längst zur demokratiefreien Zone degeneriert. Sie ist die zentrale Stütze solcher Figuren wie Mehdorn.

     

    War es unter Kohl schon unerträglich so toppt die Merkel-Regierung alles. Rechtsfreier Raum, wohin man schaut.

    ... und der deutsche Michel sitzt im Sofa, guckt Fernsehen und läßt sich von den Tätern die "Wirklichkeit" erklären.

  • E
    E.Stopp

    Hat irgendeiner mit Verstand gesegneter Mensch von diesem Herrn Mehdorn was anderes erwartet?

    Der Skandal ist nicht Mehdorn- ein Mensch ohne Gewissen, ohne Skrupel, ...überflüssig wie ein Kropf, sondern das Nichts- Tun der Regierung, der Abgeordneten, der Justiz !!

    Dieser Mensch muss endlich in die Wüste geschickt werden. Er soll Herrn Ackermann, Zumwinkel, Funke,..Schrempp, Vorständ der Sachsen LB, BayernLB, IKB, .... gleich mit nehmen.

    Das Schlimme daran ist, dass es keine Demokratie mehr gibt, kein verantwortlicher Politiker mehr ein Gewissen hat, von Verantwortung gegenüber dem Volk wollen wir gar nicht erst reden.

    Hier hilft nur abwählen- alle ! Von CDU/ CSU über FDP und SPD - alles Lobbyisten der Konzerne.

     

    Die Korruption in Deutschland schreit zum Himmel !!

     

    Wir sind das Volk !!!

  • HR
    HP Remmler

    Tja, jetzt kann wohl nur noch Gerhard Schröder helfen, dem wir diesen fleischgewordenen Verkehrsunfall ja auch zu verdanken haben. Es wird höchste Zeit, dass der Ex-Kanzler seinen Kumpel Mehdorn als "lupenreinen Datenschützer" adelt.

  • F
    FrauKirschgruen

    Der Zweck heiligt NIE die Mittel!

    Wer versucht, den Verdacht auf illegales Verhalten und Rechtsmissbrauch mit illegalem Verhalten und Rechtsmissbrauch zu bekämpfen, hat menschlich, rechtlich und unternehmerisch absolut versagt, ganz abgesehen davon, dass er sich strafbar gemacht hat. Aufgrund welcher Prinzipien wollte er dann später agieren und den Konzern leiten? In Wildwestmanier? In Stasi – oder schlimmer – N.a.z.i–Manier? In einer Demokratie (auch wenn es nur eine so rudimentäre wie die unsere ist) gelten Gesetze – sollte man glauben. Mehdorn glaubt das offenbar nicht, und findet es wohl ganz normal, sich wie selbstverständlich über diese Gesetze zu stellen und zu lügen, bis es nichts mehr zu leugnen gibt. Gibt es keine Rechtsmittel, einen derart selbstgefälligen und selbstherrlichen "Manager" seiner gerechten Strafe zuzuführen? Warum hat das überhaupt so lang gedauert? Wie viel Willkür hält unsere Gesellschaft noch aus? Wo bleibt die Absetzung dieses "Herrn"? Hat die Staatsanwaltschaft keine Handhabe gegen so ein Handeln oder muss man/frau schlimmere Gründe vermuten? Wie viele Millionen erhält er jetzt als Bonus?

    Ohne Ansehen der Person . . . es darf gelacht werden.

    Ethik, Moral, Gesetzestreue – das sind doch inzwischen nur noch lästige und wertlose Worthülsen, in Anbetracht unserer so genannten "Manager" und Politiker: Teile und herrsche. Das Stimmvieh kümmert sich nur um Abwrackprämie und neueste Handymodelle: Brot und Spiele.

    Jedes Volk hat die Demokratie, die es (aktiv) gestaltet.