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Spitzelaffäre "Simon Brenner"Aufklärung? Vergangenheit!

Sie wollten Aufklärung - und heute mauern sie. Die grün-rote baden-württembergische Landesregierung will die heikle Affäre um den Spitzel "Simon Brenner" nicht aufklären.

Stellte undogmatisch eine Kleine Anfrage an die eigene Regierung: Grünen-Abgeordneter Hans-Ulrich Sckerl. Bild: dpa

BERLIN taz | Manchmal ist es so eine Sache mit dem Aufräumen, mit der Revolution und den Versprechungen. Eine neue Politik hatten sie angekündigt, ein neues Rechtsstaatsverständnis versprochen. Und eine Initiative für Aufklärung und Transparenz in Baden-Württemberg.

Doch eine hässliche Geschichte aus der Vergangenheit belastet das innenpolitische Klima zwischen den Regierungspartnern der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg. Es geht um die Affäre um einen verdeckten Ermittler. Und es geht um eine Mauer des Schweigens, die nicht gebrochen wird.

"Der Fall Simon Brenner ist aus unserer Sicht kein Thema für die Öffentlichkeit", sagt Andreas Schanz. Er ist der Sprecher des baden-württembergischen Innenministers Reinhold Gall, ein Sozialdemokrat, Feuerwehrmann, bürgernah. Seit Gall an der Macht ist, sendet er den aufgebrachten Bahnofsgegnern in Stuttgart Signale der Entspannung.

Doch ein Erbe seines Vorgängers, dem urkonservativen CDU-Politiker Heribert Rech, übernimmt Gall heute ungerührt: Eine unaufgeklärte Affäre, die in der Vergangenheit immer wieder für Wirbel in Baden-Württemberg gesorgt hatte.

Ende 2010 war in Heidelberg bekannt geworden, dass ein verdeckter Ermittler unter dem Decknamen "Simon Brenner" monatelang Studierende aus der linken Szene ausspioniert hatte. Zahlreiche Ungereimtheiten säumten den Weg des Spitzels: So war stets fragwürdig geblieben, ob es überhaupt eine rechtliche Grundlage für den Einsatz Brenners gegeben hatte. Der hatte harmlose Studentengruppen ausspioniert und dabei unter anderem auch eine Veranstaltung der Linksfraktion in Berlin besucht.

Innenministerium mauert weiter

Die Opposition, zu der damals noch sowohl die Grünen wie die SPD gehörten, nutzten die Affäre, um die konservative Regierung zu kritisieren - und forderte lautstark Aufklärung. Doch nun im Amt macht der SPD-Innenminister keine Anstalten, neues Licht ins Dunkel zu bringen. Weil er dem nicht zusehen wollte, ging nun der innenpolitische Sprecher der Grünen Hans-Ulrich Sckerl mit undogmatischen Mitteln die eigene Koalition an: Er stellte eine Kleine Anfrage an die eigene Regierung; ein Instrument, das ansonsten bevorzugt die Opposition benutzt, um politischen Druck zu entfalten.

Doch die Rechnung ging nicht auf. Denn Gall mauert heute, wie es vorher der konservative Rech tat. So heißt es in der nun veröffentlichten Antwort nur lapidar: "Wegen der notwendigen Geheimhaltung können Informationen zu Einzelheiten im Zusammenhang mit dem tatsächlichen oder vermuteten Einsatz von Verdeckten Ermittlern nicht veröffentlicht werden, um das polizeiliche Einsatzziel von verdeckten Maßnahmen nicht zu gefährden und den Schutz von Verdeckten Ermittlern zu gewährleisten."

"Ich erwarte ganz selbstverständlich, dass die ungeklärten Vorgänge rund um den Verdeckten Ermittler Simon Brenner von dieser Landesregierung aufgeklärt werden", sagte Sckerl kurz nachdem er seine Anfrage eingereicht hatte. "Keine der Vorbedingungen, die das Polizeigesetz zum Einsatz verdeckter Ermittler erfordern, war hier gegeben."

Nach Veröffentlichung der Antwort, ist Sckerl kleinlaut: Aus Gesprächen wisse er, dass es keine weiteren vergleichbaren Fälle gegeben habe. Auch seien die Daten Unbeteiligter gelöscht worden. "Die wesentlichen Fragen sind damit geklärt", sagt Sckerl. Das stimmt nicht ganz: Ob der Einsatz überhaupt rechtens war, ist weiterhin offen. Die Betroffenen gehen daher nun mit juristischen Mitteln gegen die Maßnahmen vor.

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5 Kommentare

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  • SG
    Stefan Gandhifan

    Transparenz Fehlanzeige?

    Was mich besonders ärgert ist die mangelnde Transparenz. Immerhin geht es in dieser Sache um einen etwaigen ,,Rechtsbruch" und um die Wahrung von Bürgerrechten.

     

    Zur Sache:

    §22 Polizeigesetz BW Vorraussetzung Einsatz verdeckter Ermittler ,,zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung"

     

    - Von seiten der Behörden gibt es keine Stellungnahme / Definition eben dieser.

     

    Den Betroffenen wird jegliche Aufklärung in dem Fall von der Polizeidirektion HD verweigert, indem die vom Verwaltungsgericht Karlsruhe für die angeforderten Akten ,,Geheimhaltungsstatus" beantragt worden ist.

    Das Innenministerium BW verweist in seinen Stellungnahmen stets auf ,,Geheimhaltungsgründe".

     

    Zur Prüfung der Rechtsmäßigkeit des Einsatzes bedarf es Transparenz.

    Ist der Einsatz rechtlich Einwandfrei begründet,

    was stünde dann einer lückenlosen Aufklärung entgegen?

  • J
    Jürgen

    das hört sich für mich eher an, als ob sich Hr. Kretschmann, Innenminister Gall und der Grüne Fraktionsvorsitzende der Südwest-Grünen sich mal hinter verschlissonen Türen Hr. Hans-Ulrich Sckerl zur Brust genommen hätten.

     

    Von wegen, "es (habe) keine weiteren vergleichbaren Fälle gegeben. Auch seien die Daten Unbeteiligter gelöscht worden." Die Polizei löscht nie und nimmer freiwillig und ohne gehörigen Druck irgendwelche Daten von tatsächlichen oder vermeindlichen Rechtsbrechern, Verdächtigen oder Zeugen, nie und nimmer. Das weiß Hr. Gall, Hr. Kretschmann und Hr. Sckerl.

     

    Solche Leute sind die Feinde der Demokratie und unseres Rechtsstaates. Einfach unwählbar.

  • PS
    Peter Steinbrück

    Es fehlt ein "angeblich" in diesem Artikel. Die Behauptung, dass die Daten gelöscht seien, ist mit Sicherheit falsch. Die Polizei hat nämlich noch nie auch nur ein einziges Bit gelöscht.

  • SB
    Simon Brenner

    Woher nur immer dieser Politikverdruss kommt?

    Es geht doch ganz einfach: Wenn die einen ein fragwürdiges Verhalten an den Tag legen, dann kommt bestimmt die nächste Wahl!

    Ha! Da wähle ich dann aber die anderen! Und dann wird alles besser!

     

    Naja, irgendwie doch nicht.

    Soll ich jetzt überhaupt noch zur Wahl gehen? Oder wähl ich einfach eine extreme Partei?

    Mal sehn, aber die nächste Wahl kommt ja bestimmt.

    Alle Macht geht vom Volke aus!

  • S
    Simon

    Radio Dreyeckland berichtet schon mehrfach zum Thema: http://www.rdl.de/index.php?option=com_tag&task=tag&tag=simon-bromma