■ Spitzel im Ostgriff: Wie wär's mit Arbeiten?
Wenn Mitarbeiter des Verfassungsschutzes früher an die Costa Brava oder in den Tessin in den Urlaub fuhren, konnten sie sich einer Sache gewiß sein: die Kollegen von hinter der Mauer lagen längst braungebrannt am Strand oder auf der Lauer am Wanderweg. Daß die Spitzel aus Dahlem die realsozialistischen Kurschatten nicht als solche bemerkten, spricht für die Qualität ihrer Arbeit. Und es scheint, als habe sich bis heute nur eines geändert: die Nationalität jener, die vor ihnen einzutreffen pflegen. Offenbar hat schon wieder jemand seine Hausaufgaben nicht gemacht. Nun ist Scharfmacher Heckelmann nicht erst seit dem Mykonos-Attentat dafür bekannt, daß er es mit Schularbeiten nicht so ernst nimmt. Vier iranische Oppositionspolitiker waren 1992 erschossen worden – es war schlichtweg versäumt worden, das Telefon des Verdächtigen abzuhören. Fordert der Hardliner die schnelle Einführung des Bonner Lauschangriffs etwa nur deshalb, weil er die heutigen Möglichkeiten von Überwachung nicht zu nutzen weiß?
Seit vier Jahren dürfte es im Dahlemer Landesamt für Verfassungsschutz nicht nur darum gehen, die über 300 Stellen um 50 zu reduzieren. Vielmehr müßte das gesamte Personal ausgetauscht oder, noch besser: der komplette Appararat abgeschafft werden. Statt dessen kann man natürlich auch auf das Wissen ausländischer Geheimdienste mit weiteren Gesetzesänderungen reagieren: etwa die Erlaubnis für Schlapphüte, alles zu überwachen, von dem sie sich selbst verfolgt fühlen. Auch könnte man das Datenschutzrecht ändern. Wenn schon osteuropäische Geheimdienste auf Disketten und Magnetplatten des Verfassungsschutzes scheinbar jederzeit Zugriff haben, sollte ein VS-Terminal direkt auf dem Alexanderplatz aufgestellt werden. So könnten die Betroffenen sich vor einer Moskaureise schon in Berlin darüber informieren, was in der russischen Hauptstadt über sie bekannt ist. Am wenigstens aufwendig wäre aber, wenn der Innensenator seine Arbeit machen würde. Dirk Wildt
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