: Spitzel auf Engholms Spur
■ Nicht erst Pfeiffer ließ den Kieler SPDler beschnüffeln / Schon 1986 Trauben von Detektiven vor Engholms Wohnung / Auftraggeber Atomindustrie?
Berlin (taz) - Der Oppositionsführer im Landtag von Schleswig–Holstein, Björn Engholm, ist nicht erst in diesem Frühjahr, sondern bereits seit September 1986 bespitzelt worden. Nach einer Recherche des Spiegel haben zeitweise bis zu sechs Privatdetektive das Haus des Kieler Oppositionsführers beschattet, um das Privatleben des SPD–Spitzenkandidaten auszuforschen. Die Bespitzelung Engholms hat also bereits begonnen, bevor der frühere „Medienreferent“ Reiner Pfeiffer im Auftrag des inzwischen toten Ministerpräsidenten Barschel eine Bremerhavener Detektei auf den SPD–Kandidaten ansetzte. Wer die Auftraggeber für die zusätzlichen Ausforschungen sind, läßt der Spiegel offen. Er gibt lediglich Spekulationen wieder, wonach die Großchemie oder die Atomindustrie ein Interesse daran gehabt habe, den chemie– und atomkritischen Engholm als Ministerpräsidenten von Schleswig–Holstein zu verhindern. Führende SPD–Politiker äußerten gegenüber der taz, sie tappten bei der Suche nach den Hintergründen nach wie vor im Dunkeln. Wie der Spiegel berichtet, ist eines der Spitzelteams von der Düsseldorfer Detektei Condor, die freien Mitarbeiter Robert Böhm und Stefan Rüdell, einer Polizeistreife aufgefallen, die zeitweise die Funkgeräte der beiden Privatdetektive einzog. Gleichzeitig mit den Condor– Leuten hielten sich auch zwei Mitarbeiter der Münchner Detektei Hertlein vor Engholms Lübecker Wohnung in der Jürgen–Wullenweber–Straße auf. Fortsetzung Seite 2 Kommentar Seite 4 CDU–Landesparteitag Schleswig–Holsteins Tagesthema Seite 3 Grüne tagten auch: Seite 2 Engholm hat inzwischen in einer Erklärung umgehende Aufklärung darüber verlangt, ob und wann das Kieler Innenministerium von der schon im September 1986 angelaufenen Bespitzelung Kenntnis erlangt hat. Dieser Vorgang stelle eine „neue Dimension“ des Barschel–Pfeiffer–Skandals dar. Falls das Ministerium davon gewußt habe, müsse es auch angeben, welche Ermittlungen es über die Hintermänner und Auftraggeber der Bespitzelung angenommen habe. „Der Komplott gegen die SPD und ihren Spitzenkandidaten ist offenbar weitreichender als bisher angenommen“, meinte Engholm. Der Geschäftsführer der Schwarzkopf GmbH (Hamburg), Karl Josef Ballhaus, ist inzwischen für die Dauer der Arbeiten des Untersuchungsausschusses im Kieler Landtag zurückgetreten. Er begründete dies damit, er wolle seine Firma aus dem Skandal heraushalten. Über die Hamburger Schampoo–Firma war die bisher bekanntgewordene, von Barschels Medienreferenten Pfeiffer veranlaßte Bespitzelung Engholms finanziert worden.
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