Spielfilm über Frauen in der Neonaziszene: Die Dynamik der Gewalt
David Wnendts "Die Kriegerin" erzählt von einer jungen Frau in der Neonazi-Szene. Der Regisseur stellt das rechtsradikale Lebensgefühl nur aus, statt es zu durchdringen.
Auf die eine Seite ihrer Schulter möchte sie sich das Soldatenfoto ihres Großvaters tätowieren lassen, auf die andere Adolf Hitler. Ohnehin hat sich die politische Gesinnung dieser jungen Frau mit großen schwarzen Runen in ihrem Körper eingeschrieben. Marisa trägt keine Glatze, doch ihre Haare sind kurzgeschoren.
Man könnte meinen, dass David Wnendts "Die Kriegerin" der Film zum richtigen Zeitpunkt sei. Dass sich hier ein Regisseur in einem Land umschaut, in dem die brutalen Umtriebe von Neonazis nicht nur geduldet werden, sondern sich deren Weltbild immer mehr vom rechten Rand ins Zentrum bewegt.
Mit der Recherche für sein Regiedebüt um rechtsradikale Frauen begann Wnendt lange vor den Enthüllungen rund um die Zwickauer Zelle und die Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe. Auch seine Hauptfigur Marisa führt kein marginales Dasein im Schatten einer männerbündischen Gesellschaft. Wie ihr Freund lässt auch sie dem Hass freien Lauf, brüllt Ausländer in einem Zug an, dass sie aus Deutschland zu verschwinden hätten, und schlägt auf sie ein.
Diese Prügelsequenz zu Beginn ist schnell geschnitten. Fäuste fliegen durch die Luft, lachende Fratzen blicken in die Kamera. Mit ihren Handys nehmen die Skins ihre Gewalttaten auf, um sich später noch einmal an ihnen zu berauschen. Auf diesen effekthascherischen Einstieg hätte Wnendt getrost verzichten können,weil er nur die Dynamik der Gewalt zeigt, ohne sich auf die Dumpfheit dahinter einzulassen.
Mit "Holocaust Reloaded" durch die ostdeutsche Landschaft brausen
Immer wieder wird hier ein Lebensgefühl zitiert oder ausgestellt, anstatt es zu durchdringen. Etwa wenn sich die Rechtsradikalen antisemitische Filme aus der Nazizeit anschauen und kopfschüttelnd und voller Empörung vor einer Dokumentation über die tierquälerischen Schlachtmethoden der Juden sitzen. Oder wenn Marisa und ihre Gang ständig zu den dröhnenden Bässen des Nazisongs "Holocaust Reloaded" durch die ostdeutsche Landschaft brausen.
Über weite Strecken ist "Die Kriegerin" nicht mehr als die bloße Bebilderung eines von Gewalt und Zorn bestimmten jungen Neonazi-Daseins, die den Zuschauer auf bequemer Distanz hält und ihn letztlich auf die Skinhead-Truppe hinabsehen lässt. Wurde eigentlich jemals empirisch erwiesen, dass böse Menschen auch bösen Sex haben? Wie sie schlagen und treten, schlafen Marisa und Sandro auch miteinander. Rammelnd, im Stakkato-Tempo. Wenn er einem Ausländer eins "in die Fresse" gegeben hat, leckt sie ihm mit der Zunge übers Gesicht, um ihn weiter aufzugeilen.
Es wird ihre eigene politische Überzeugung sein, gegen die die titelgebende Kriegerin in den Kampf ziehen wird. Aus Lust und Wut rammt die junge Frau mit ihrem Auto zwei afghanische Asylbewerber auf einem Mofa. Da sie den Älteren für schwer verletzt hält, hilft sie dessen kleinem Bruder Rasul, besucht ihn in seinem Versteck, besorgt ihm Essen und treibt für ihn schließlich das Geld für seine Flucht nach Schweden über die Ostsee auf.
Bei dieser Erzählung tritt Wnendt einen Schritt zurück, aus der Halbtotalen in eine Einstellung, die mehr als nur den filmischen Raum öffnet. Nun wird die Kamera zum Beobachter und folgt Marisa auf ihren neuen Pfaden. Ob es sich um einen politischen Gesinnungswandel oder Schuldgefühle handelt, muss dabei gar nicht hinterfragt werden.
Vereinfachende Begründungen für den Rechtsradikalismus
Man sieht einer jungen Frau dabei zu, wie sie den Hass zwischen sich und ihrer Umwelt abbaut und sich selbst ein wenig näherkommt. Allein mit ihrer Physis gelingt es der Darstellerin Alina Levshin ("Im Angesicht des Verbrechens"), diese Entwicklung darzustellen. Man kann nur erahnen, welche inneren Kämpfe ihre Figur mit sich selbst ausficht, während sie sich aus dem Zustand einer permanenten Anspannung befreit.
Schade nur, dass diese Veränderungen plötzlich mit allzu vereinfachenden Begründungen für den Rechtsradikalismus einhergehen, die diese Szene auch aus ihrer politischen Verantwortung entlassen. Nicht nur Marisa, auch die 15-jährige Svenja, die sich der Neonazi-Truppe anschließt, ist ein ungeliebtes Kind. Svenja (Jella Haase) verachtet ihren spießigen Stiefvater, der sie in ein kleinbürgerliches Milieu mit rigiden Regeln einsperrt.
Die Mutter von Marisa wiederum schreckt vor den Berührungen ihrer Tochter regelrecht zurück, lässt sie ständig ihre Verachtung spüren. Und erst der in Rückblenden erscheinende Großvater, der seine Zuneigung stets an nationalsozialistisches Gedankengut koppelt! Vor der eigentlichen Herausforderung des Themas drückt sich Wnendt: die Übergänge zwischen geschichtlicher und familiärer Linearität und eigener Verantwortung auszuloten.
"Die Kriegerin". Buch und Regie: David Wnendt. Mit Alina Levshin, Jella Haase. Deutschland 2011, 103 Min.
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