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■ Mit dem Weihnachtsmann auf Müllers KuhSpielen Sie Boss!

Verbinden Sie Betriebswirtschaft mit Sauhaufen? Dann sind Sie hier richtig. Hier, das ist Berlin. Hier, das ist „Fantasma“, eine Szenekneipe im finsteren SO 36 gegen 13 Uhr. Das Körnerfesserkollekltiv „Mit dem Kopf durch die Wand“ hat soeben seinen Laden geschlossen, um noch einmal ihren Kreditantrag bei Netzwerk durchzugehen, ob er auch den Prämissen bei der Kreditvergabe entgegenkommt: Ist das Geschäft überhaupt rentabel? Besteht eine Chance, den Kredit zurückzubekommen? Können die Leute überhaupt wirtschaften? An ihrem Stammtisch finden sie eine Schachtel mit der Aufschrift „Playboss“. „Playbach“ kannten sie ja, aber „Playboss“? Kollektiv kratzen sich die Alternativen am Kopf. Eine ist so clever, die Schachtel zu öffnen, die Spielregeln zu lesen und zu kapieren: Das Grundmodell von „Playboss“ ist simpel. Nicht daß hier informelle Chefs zu formellen werden sollen - es geht um Kredit, Firmengründung, Entscheidungsfindung, Einkauf, Investition, Verkauf, Gewinn. Bei Gewinn fangen die Gesichter unserer Freunde an zu strahlen. Aber dann die sechs Aufbaustufen des Spiels, da sind Querdenker gefragt. Schon beim Einkauf der Rohwaren klettern die Preise, dann erst die Kosten für die Maschinen. Lohnt sich vielleicht ein Zusammengehen mit einem Konkurrenten? Zum Glück geht die Bank mit den Krediten locker um. Trotzdem ist es ein Problem, die Fertigwaren möglichst mit großem Gewinn auf dem Markt abzustoßen. Verkalkuliert? Oder auch nicht. Jetzt schlägt die Steuer zu. Streit entsteht am Tisch, ob Steuern zu zahlen sind oder lieber dem Kübelvorschlag zur Knastkasse gefolgt werden soll. Und überhaupt: Wo bleibt die Steuerhinterziehung, die korrupten Politiker, die Staatsaufträge. Ein Spiel, wie Marktwirtschaft sein möchte, aber wenig realitätsnah. Da es trotzdem Spaß macht, spielt unser Kollektiv weiter. Was ist mit Innovation? Welche Rolle spielen neue Produkte und deren immer kürzer werdende Lebensdauer? Was ist mit dem Zeitgeist, der Fantasie, was mit utopischen Entwürfen? Alles Dinge jenseits der Spielregel, die sich auf statische Faktoren beschränkt. Bei der Anschaffung eines Computers prallen erneut die ideologischen Fronten aufeinander. Was ist mit der Solidarität? Der Kiez kauft im Kiez! Welche Bedeutung haben die politischen Ziele des Kollektivs? Beim Gewerkschaftsboß will niemand mitspielen. Nicht mal der Kob ist für eine Tasse Kaffee bereit, diese Rolle zu übernehmen. Wilder Streik ist angesagt. Endlich passiert mal was. Aber daß davon gleich die Firma ruiniert werden soll, erweckt nur ungläubiges Kopfschütteln. Es ist bereits halb vier. Die lieben Kunden rütteln an den verschlossenen Ladentüren. Man einigt sich noch schnell, das Spiel den Beiratsmitgliedern von Netzwerk zu schenken, damit die Wildsau bei ihren Sitzungen mal wieder auf Trab kommt, und spurtet zur Arbeit. Peter Huth Playboss: für drei bis neun Spieler. Ravensburger Spiele

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