: Spielen, Schummeln, Siegen
■ Kampnagel: Hamburger Choreographen veranstalten eine Tanzwerft
Jedem ist es vertraut, das eigene Scheitern. Doch jeder geht anders damit um. Der eine versucht, es geschickt zu vertuschen und schummelt sich immer wieder durch. Der andere bemüht sich stärker und arbeitet sich noch mehr ab.
Seit Jahren interessiert sich die Hamburger Choreographin Cornelia Ölund für die Phänomene rund ums alltägliche Scheitern. Für die dritte Tanzwerft auf Kampnagel, mit der die Mitglieder der Probenräume in der Stresemannstraße jährlich einmal Einblicke in ihre Arbeiten geben, hat sie deshalb ein Stück zum Thema entworfen. Vier semiprofessionelle Tänzer wagen sich mit ihren Unsicherheiten durch eine halb feste, halb für Improvisationen offene Choreographie. „Es ist wie beim Flirt oder beim Ehekrach“, lacht die Choreographin, „man weiß nie genau, wie der andere reagiert.“
Victoria Hauke hat sich Sprichwörter vorgenommen: „Halt den Kopf über Wasser“, sagten ihre Eltern immer. Was bedeutet das? Es bedeutet: Ich bin artig und racker mich ab. Ich tue mein Bestes, um nicht unterzugehen. Doch Hauke hat auch eine Spaltung von Kopf und Körper darin ausfindig gemacht: „Der Körper muß wahnsinnig strampeln, um den Kopf über Wasser zu halten“, erklärt sie. Das Denken bestimmt den Anspruch, der Körper muß folgen. Gemeinsam mit Andrea Stümper macht sie sich daran, das Thema interpretatorisch, aber auch visuell und assoziativ umzusetzen. Die Musik kommt vom Spritzenplatz-Klangkünstler Heinz Weber.
Jan Pusch vollendet seine „Spiele“-Trilogie, diesmal ist jedoch das gesamte Publikum beteiligt: Es muß schnell reagieren, genau hinschauen, sehr gut zuhören können und sich rudimentär mit Weihnachtstraditionen auskennen. Es gilt, die Aufgaben rund um die 25 numerierten Objekte auf der Bühne, die von Fiona Gordon und Wobine Bosch betanzt werden, zu lösen. „Jemand, der nicht so viel Bezug zum Tanz hat, kann hier grundlegende Bausteine entdecken“, verrät Pusch. Dabei geht es nicht nur ums Sehen: Manche Bewegungssequenzen lassen sich nur durchs Hören genau wiedererkennen.
Das Duo Heidrun Vielhauer und Rotraut de Neve führt das Programm „Flucht“ fort: Die beiden arbeiten mit Menschen, die ihre Heimat verlassen haben und nach Deutschland gekommen sind. Sie fragten sich, welche Tänzerinnen aus anderen Kulturen in Hamburg leben und stießen dabei auf eine indische, eine orientalische und eine westafrikanische Tänzerin. Angelina Akpovo heißt die Künstlerin aus Benin, mit der sie dieses mal zusammentreffen. Bei der Konfrontation mit den traditionellen Frauentänzen stoßen ihre Körper an kulturelle Grenzen, erleben aber auch Gemeinsamkeiten. „Wenn ich eine afrikanische Bewegung ausführe, empfindet mein Körper sie erst mal als fremd“, erzählt Heidrun Vielhauer, „trotzdem steigt dann eine körperliche Erinnerung hoch, als ob ich da etwas wiedererkenne.
Gabriele Wittmann
Mi/Do/Fr, 18./19./20. Dezember auf Kampnagel, k1, 20.00 Uhr
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