Spielemesse "Gamescom" startet: Darauf ein Kölsch
Leipzig wurde der Spielebranche nach sechs Jahren zu provinziell. Jetzt feiert die Daddel-Industrie die Premiere der "Gamescom" in Köln und hofft auf die Fortführung der sächsischen Erfolgsstory.
Einst fuhr man einmal im Jahr nach Leipzig, wenn man Europas größte Computerspielemesse besuchen wollte: Dort fand seit 2002 die "Games Convention" statt, die sich in wenigen Jahren zu einer echten Erfolgsgeschichte mit über 200.000 Besuchern mauserte. Allein, die Verbände der Spielebranche wollten irgendwann nicht mehr.
Der Games-Lobby war die sächsische Metropole in den vergangenen Jahren offensichtlich zu provinziell geworden, ihr fehlte es zudem an internationalen Luftverkehrsverbindungen und ausreichend Hotelbetten der Luxusklasse. Das jedenfalls waren die Argumente, nach Westdeutschland umzuziehen - da half auch kein Bitten und Betteln der sächsischen Politik.
Nicht, dass der Games-Standort Leipzig seither völlig tot wäre. Auf dem dortigen Messegelände fand Anfang August eine neue Version der Spielemesse statt, die sich nun den Online-Spielen verschrieben hat - einem aufstrebenden Segment, das allerdings erst langsam beginnt, zum echten Massenmarkt zu werden. Mit knapp 43.000 Besuchern war die "Games Convention Online" deshalb nur ein Schatten ihrer selbst, weil die großen Namen fehlten.
Die wirkliche Action findet ab diesem Jahr nun in Köln statt und hört auf den leicht abgewandelten Namen "Gamescom". Seit Mittwoch ist das Messezentrum der Domstadt der Anziehungspunkt für Daddel-Fans. Und die können sich auf rund 420 Unternehmen aus 30 Ländern freuen, darunter fast alle Branchengrößen. Bis zum Sonntag sollen insgesamt 150 neue Spiele aus allen Genres von Sport bis Action gezeigt werden. Nach dem Fachbesuchertag am Mittwoch dürfen ab Donnerstag auch die Endkunden die Hallen besuchen - 200.000 Besucher werden erwartet.
Die "Gamescom" startet zu einem interessanten Zeitpunkt. Während in den USA der Spielemarkt gerade krisenbedingt um satte 30 Prozent einbrach, wuchs das neben Frankreich und Großbritannien in Europa wichtigste Absatzgebiet Deutschland sogar ein wenig - auf voraussichtlich 2,7 Milliarden Euro in diesem Jahr. Hierzulande erholt man sich offenbar noch immer gerne vor PC oder Konsole, während in den USA wieder verstärkt ferngesehen wird.
Die spannende Frage, wie die Branche mit der Krise umgeht, beantwortete ein Marktteilnehmer bereits am Dienstagabend: Der japanische Elektronikkonzern Sony kündigte eine um immerhin 100 Euro verbilligte neue Version seiner Playstation 3-Konsole an. Das ab dem 1. September erhältliche Gerät ist flacher und wohl auch etwas leiser als der Vorgänger, weil es insgesamt stromsparender arbeitet. Sony hatte sich mehr als ein Jahr lang gegen Gerüchte zu einer Preissenkung gewehrt und mit ansehen müssen, wie die Konkurrenten Nintendo und Microsoft an dem Unternehmen vorbeizogen.
Microsoft will in Köln sein "Project Natal" vorstellen, eine neue Art, eine Spielekonsole zu steuern. Microsoft-Forscher haben dazu eine spezielle 3D-Kamera entwickelt, die Personen und ihre Aktionen im Raum aufnehmen kann. Eine Lenkradgeste soll dann ausreichen, um ein virtuelles Auto zu steuern, eine Boxbewegung, um den Konsolengegner auszuknocken.
Interessant dürfte werden, wie die Politik mit der "Gamescom" umgeht. Zwar wird die Branche regelmäßig als Innovationstreiber gepriesen, der Arbeitsplätze schafft, parallel steht aber nach wie vor ein Herstellungsverbot von Actionspielen in Deutschland im Raum, nachdem das Thema nach dem Amoklauf von Winnenden wieder hochkochte. Passenderweise läuft bis Mittwoch beim Bundestag eine Online-Petition gegen das Verbot, die bereits über 70.000 Mitzeichner fand.
Auf der "Gamescom" ist das Thema Jugendschutz jedenfalls kein Problem. Ein System, das sich schon in Leipzig bewährt hatte, wurde übernommen: Jeder Besucher bekommt je nach Alter ein farbiges Bändchen zugeteilt, das darüber bestimmt, welche Bereiche der Messe zugänglich gemacht werden. Vielleicht wäre das Thema Actionspiele ja keines mehr, würden Eltern stärker darauf achten, was ihr Nachwuchs an Rechner und Konsole spielt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!