Spesenskandal in Großbritannien: Entlassung mehrerer Minister erwartet
In Großbritannien verdichten sich Hinweise auf eine Kabinettsumbildung nach den Europa-Wahlen. Innenministerin Smith, die Pornofilme als Spesen abrechnete, will offenbar zurücktreten.
LONDON dpa Die britische Innenministerin Jacqui Smith will laut Medienberichten als Konsequenz aus dem Spesenskandal ihren Posten räumen. Sie wolle in der nächsten Kabinettsumbildung ihren Platz frei machen, berichten britische Medien unter Berufung auf Regierungskreise am Dienstag. Die 46-Jährige hat demnach bereits vor zwei Monaten Premierminister Gordon Brown den Rücktritt angeboten. Smith war im März in die Schlagzeilen geraten, nachdem sie Spesen für Pornofilme abgerechnet hatte, die ihr Mann angeschaut hat. Sie will aber erneut bei den Wahlen im Herbst antreten.
Smith habe sich, wie eine Vertraute sagte, nach den Enthüllungen verletzt gefühlt. Im Zuge der Aufdeckung des Spesenkandals im Parlament kamen weitere umstrittene Ausgaben heraus: ein 275 Euro teures Handy für ihren Ehemann, drei Digital- und eine Videokamera für 1850 Euro sowie Kosten für ihren Steuerberater.
Wenige Tage vor der Europa-Wahl in Großbritannien an diesem Donnerstag mussten sich auch zwei weitere Minister aus Browns Kabinett für "Versehen" im Zusammenhang mit dem Spendenskandal entschuldigen. Verkehrsminister Geoff Hoon erklärte, er habe versehentlich 384 Pfund (444 Euro) zu viel für eine Zweitwohnung abgesetzt und werde die Summe erstatten. Finanzminister Alistair Darling entschuldigte sich ebenfalls für unrichtige Angaben zu den Betriebskosten seines Domizils in London in der Steuererklärung. Er bot an, die insgesamt mehreren hundert Pfund zurückzuzahlen.
Es wird erwartet, dass Brown nach den Wahlen zum Europa-Parlament, bei denen seine Labour-Partei letzten Umfragen zufolge schlecht abscheiden dürfte, sein Kabinett umbildet. Dabei könnten auch Darling und Hoon ihren Posten verlieren.
In der Bevölkerung ist das Bild über Politiker düster. Fast jeder zweite (48 Prozent) glaubt einer BBC-Umfrage zufolge, dass Politiker korrupt sind. Nahezu zwei Drittel (62 Prozent) denken, dass Politiker erst an ihre eigene Interessen und dann an das Land denken.
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