: Spendierhosen gefragt
■ Parteien auf Betteltour: CDU verschickt über Adressenagentur 18.000 Briefe, FDP appelliert an Mitglieder
Der Mitarbeiter des Reisebüros war zunächst verwundert, dann verärgert, als er den zweiseitigen Brief zu Ende gelesen hatte. Die Union müsse stark sein, damit in Berlin nicht gegen „die Kraft der Vernunft“ regiert werden könne, umwarb der CDU-Landesvorsitzende Eberhard Diepgen das Kleinunternehmen. Ein Spendenformular war gleich beigelegt worden. Das Reisebüro ist eines der Opfer der neuesten CDU- Wahlkampfstrategie. Um Mittel für den anstehenden Wahlkampf zu sammeln, hat der CDU-Landesverband (15.000 Mitglieder) mit einer Mailing-Firma einen Vertrag abgeschlossen. Und die verschickte Anfang Juli 18.000 Diepgen-Bittbriefe an Unternehmen und Privathaushalte.
Eine Partei könne ihren Wahlkampf „nicht ausschließlich aus Mitgliederbeiträgen finanzieren“, so CDU-Sprecher Marco Hardt. Nach dem neuen Parteienfinanzierungsgesetz sind die Spendenmodalitäten verschärft worden: Nach jahrelangem Hickhack wurde die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden auf natürliche Personen beschränkt. Jährlich können Einzelpersonen 6.000 Mark, Ehepaare 12.000 Mark geltend machen.
Für die CDU ist die gezielte Postwurfsendung ein Versuch. 3,1 Millionen Mark hat der Landesverband für den Wahlkampf veranschlagt. Wieviel davon über die Bettelbriefe in die Kasse zurückfließen, ist ein Geheimnis. Manche Absage hat Hardt allerdings schon erhalten. Vor allem kleinere Unternehmer wie Bäcker oder Friseure, die zwar aus ihrer CDU- Sympathie keinen Hehl machten, wollten wegen gestiegener Gewerbemieten nicht spenden. Andere beschwerten sich über die angebliche Nachgiebigkeit gegenüber dem Koalitionspartner SPD. So tröstet sich Hardt damit, daß man immerhin eine „neue Form der politischen Kommunikation“ gefunden haben.
Die vom politischen Aus bedrohte FDP mobilisiert indes ihre letzten Reserven. 600.000 Mark haben die Liberalen für Poster, Kugelschreiber und allerlei Wahlschnickschnack veranschlagt. Der 16köpfige Landesvorstand um Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt ging mit gutem Beispiel voran und spendete 41.000 Mark.
In einem Brief an die Mitglieder des Landesausschusses bat der Landesschatzmeister Werner Upmeier die rund 4.000 Mitglieder um Nachahmung: „Bitte muten Sie mir keine hundert Telefonate zu und leisten Sie ihren Beitrag für den Landesverband kurzfristig.“ 200.000 Mark will Upmeier unter Nichtmitgliedern zusammenbekommen, den Rest sollen die Mitglieder aufbringen. Noch immer hätten „viele nicht begriffen, daß jetzt neue Regeln gelten“. Aber, so tröstet sich der FDP-Schatzmeister, „wir sind ja die Partei der Besserverdienenden“. Severin Weiland
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