: Spektakel in Gröpelingen: Ein Betonkoloß wird versenkt
■ Neue Pumpstation mit Regenwasser-Rückhaltebecken in Gröpelingen / Überirdisch gebaut und 25 m abgesenkt
Ein starkes Stück: Wie ein riesiger umgestülpter Eimer steht ein frischgegossener Betonzylinder 25 Meter hoch, rund und roh in der Landschaft. Noch! Denn der soll und wird bis zur Oberkante sorgfältig und zentimeterweise in die Bremer Erde versenkt werden. Da, wo Gröpelingen an Oslebshausen grenzt, im Industriehafen Riedemannstraße, findet derzeit ein gigantisches Spektakel statt - aber so langsam, daß man es mit bloßem Auge gar nicht bemerken würde.
Die Ausgangslage: Erstens muß im Bremer Westen in neues Pumpwerk her, weil das alte dem Ausbau der Hafenrandstraße genau im Wege steht. Und: Ein Staubecken für Regensintfluten ist auch längst überfällig. Denn: Weil die normalen Abwasserrohre zusätzliche Wassermassen nicht so plötzlich fassen können - bei starkem Regen strömt hundertmal so viel Regenwasser wie Abwasser zusätzlich in die Kanä
le - läuft das Ganze immer wieder über und landet ungefiltert und unschön in Gräben und in der Weser, hier besonders in den Oslebshauser Piepengraben.
Der gewaltige neue runde Betonhohlklotz in der Riedemannstraße birgt in seinem Bauch erstens die neue Pumpstation für die Industrieabwässer des Bremer Westens und außerdem große Rückhaltebecken, 4.800 Kubikmeter Wasser -Zwischenspeicher. Er wurde über der Erde um ein Skelett aus dicken Stählen gegossen. Wenn man in so gewaltigem Ausmaß eine Grube geschachtet hätte, um das Pumpwerk gleich unterirdisch hineinzubauen, wäre sofort alles von Grundwasser überschwemmt gewesen. Das aber so weit abzusenken, kam wegen der Umweltauswirkungen nicht in Frage.
Deshalb wurde das Ganze zuerst 25 Meter in den Himmel gebaut - und dann ging es abwärts. Unten rum ist der Betonzylinder
nicht platt, sondern steht auf einem Betonring, der eine Höhle bildet. Mit dicken Schläuchen („Kanonen“) und unter hohem Druck spritzen die Fachleute Wasser in die Höhle. Das wühlt Sand und Erde auf und wird wie flüssiger Schlamm abgepumpt nach außen in ein Spülfeld. Preßluft füllt die Höhle unter dem Klotz aus und hält das aufsteigende Grundwasser in Schach, drängt es mit dem genau richtigen Gegendruck zurück nach unten.
Die Männer, die unten wie in einer Taucherglocke arbeiten, haben einen schwierigen und gefährlichen Job. Dem Luftdruck darf sich nur aussetzen, wer gesundheitlich geeignet ist. Und je tiefer es geht, um so kürzer werden die Arbeitsintervalle: 8, dann 6, schließlich nur noch 4 Stunden lang ist die Arbeit unter dem gewaltigen Betonbau möglich und erlaubt. Dann geht es zurück - 24 Meter hoch im hohlen Inneren bis ganz nach oben, in die ausglei
chende Druckschleuse. „Ökologisch ist das ein Riesengewinn, das Grundwasser nicht abzusenken für den Bau. Für die Arbeiter ist das aber ein ziemliches Risiko“, erklärte gestern auf der Baustelle der Leiter des Amtes für Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft, Dieter Voigt.
Zentimeterweise sackt der schwere Koloß ins Erdreich, während Sand und Wasser abgepumpt werden. Sieben Meter sind schon geschafft. Und immer wieder gilt es zu loten und aufzupassen, damit die Betonburg nicht etwa in Schräglage gerät. Dann muß präzise gegengebuddelt werden. In den Spülfeldern setzt sich der Sand ab, und das Wasser kann fast vollständig wieder zum Freispritzen verwendet werden.
Manchmal passieren dabei auch unangenehme Überraschungen. Da lag in der Tiefe ein Stein im Wege, im Format eines kleinen PKW, der mußte angebohrt, hydraulisch gesprengt und dann
weggeschafft werden.
Rund 10 Millionen Mark werden Bau und Technik kosten. Ein ähnliches Objekt, die Pumpstation in Oslebshausen, wurde im letzten Jahr von derselben Firma (Bilfinger+Berger aus Mannheim) mit derselben Technik in
den Sand gesetzt - mit Erfolg. „In ganz Europa waren dies die ersten Projekte in dieser Größenordnung, da sehen Sie mal, was Bremen der Umweltschutz wert ist“, freute sich gestern Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte. Susanne Paa
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