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Speed-Metal-Doku "Anvil"Die Spezies Schwanzrocker

Sacha Gervasis Dokumentarfilm "Anvil - Die Geschichte einer Freundschaft" versucht das eigentlich unerklärliche Scheitern einer Speed-Metal-Band zu erhellen.

Anvil Gitarrist Steve “Lips” Ludlow bezirzt seine Fans. Bild: rapid eye movies

Der Mann stemmt die Füße auf die Boxen, vor ihm tobt ein Stadion voll headbangender Japaner. Er trägt ein S/M-Ledergeschirr und schwarze Lycra-Leggings, seine Lockenmähne weht im Lärm, und während er mit einem Dildo seine Flying-V-Gitarre zum Kreischen bringt, lässt er seine Zunge durch imaginäre Vaginen zucken. Kein Zweifel, auf dieser Bühne steht ein Prachtexemplar der Spezies Schwanzrocker. "Anvil - Die Geschichte einer Freundschaft" zeigt diese Bilder, die beim Super Rock Festival 1984 in Japan entstanden, gleich zu Beginn. So kann sich auch der Zuschauer, der von der Band Anvil zuvor noch nie gehört hatte, ungläubig fragen: "Dieser Frontmann Lips, überhaupt diese Band - Wahnsinn! Wie konnte das nur schiefgehen?"

Was genau schieflief, warum also die Band Anvil, gegründet 1978 von den kanadischen Highschool-Buddys Steve "Lips" Kudlow und Robb Reiner, heute nicht in der ersten Liga mit den anderen Dinosauriern des Metal, mit Metallica oder Anthrax, spielt, das wird in "Anvil - Die Geschichte einer Freundschaft" nicht direkt ausgesprochen. Es darf nicht ausgesprochen werden, denn das würde die Dramaturgie des Films ruinieren. An mangelndem Talent oder falschem Styling kann es nicht gelegen haben. Für Mutmaßungen, warum Anvil den Durchbruch niemals schafften, sind unter anderem Metallica-Drummer Lars Ulrich und Slash, der ehemalige Gitarrist der Guns N Roses, zuständig. Regisseur Sacha Gervasi hat sie vor die Kamera bewegt, und sie versichern glaubhaft, dass es ohne Anvil und deren Album "Metal on Metal" (1982) den mit rasender Doublebass gespielten Speed-Metal-Stil, wie er heute noch die Stadien füllt, nie gegeben hätte.

"Anvil - Die Geschichte einer Freundschaft" ist vor allem eine Rehabilitationsgeschichte, und sie anzuschauen ist ein großer Spaß, denn der Film ist eine Mischung aus "This is Spinal Tap", der Metallica-Doku "Some Kind of Monster" und "The Wrestler" - sprich eine Heavy-Metal-Tour-Komödie, die auch mit Elementen des Psychotherapiedramas spielt (neurotische Rocker können nur noch mithilfe eines Mediators kommunizieren) und die das Motiv des alternden Söldnerkörpers, aus dem das Letzte herausgeschunden wird, nicht außer Acht lässt. Der Unterschied zu "The Wrestler" besteht einzig in dem Detail, dass in "Anvil - Die Geschichte einer Freundschaft" die Familien noch intakt sind.

Natürlich ging es im Pop nie gerecht zu, Fairness war hier als Prinzip nie vorgesehen - und auch Speed Metal ist im weitesten Sinne Pop, selbst wenn Lips und Reiner, die mittlerweile 50 sind und in "Anvil - Die Geschichte einer Freundschaft" intime Einblicke in ihre Rockerbruderschaft gewähren, dies wohl bestreiten würden. Doch Regisseur Gervasi findet auch stille Bilder für diesen Film: Bilder, in denen sich die Frauen der beiden illusionsfrei über die geplatzten Lebensträume ihrer Männer austauschen; Bilder, in denen die Söhne sagen, sie fänden ihre Loser-Daddys trotzdem cool. Diese Szenen, nicht die Konzertaufnahmen, sind es, die "Anvil - Die Geschichte einer Freundschaft" zu einem großen kleinen Film machen. Klein, weil es solche Geschichten im Pop natürlich hunderttausende gibt und das Rockstarmodell, dem die Männer hier nachjagen, längst antiquiert ist. Groß deswegen, weil hier auf eine unmelodramatische Art gezeigt wird, welche Tragweite die bedingungslose Entscheidung einzelner Menschen, Star werden zu wollen, für das Umfeld hat.

Nicht zuletzt zeigt sich mit "Anvil - Die Geschichte einer Freundschaft" wieder, dass die packendsten Filme derzeit diejenigen sind, die maximal rührende und zugleich vollkommen alltägliche Freakgeschichten aus der Welt der Entertainment-Industrie erzählen. Der Regisseur Sacha Gervasi ist dabei schlau genug, seinen nächsten Film nicht gleich der nächsten tragisch vergessenen Metal-Band zu widmen. Anvil holt zurzeit, bedingt durch den Erfolg des Films, wichtige Schritte ihrer Karriere nach - mit Auftritten als Vorgruppe für AC/DC, als Gäste in Conan OBriens Late-Night-Show oder mit der Wiederveröffentlichung ihres stilprägenden "Metal on Metal"-Albums. Gervasi ist auf der Suche nach unverwechselbar echtem, hartem Filmstoff woanders fündig geworden: Sein nächstes Projekt ist ein Biopic über Hervé Villechaize, den kleinwüchsigen französischen Schauspieler, der als ausgekochter Butler Schnick Schnack im Bond-Film "Der Mann mit dem goldenen Colt" bekannt wurde und sich 1993 in North Hollywood erschoss.

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5 Kommentare

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  • JH
    Joe Horizon

    "It's not that we live in a world of either losers or winners. It's more like if you're not part of the cure, you're part of the disease!"

     

    Ich bin von diesem Beitrag nicht weniger gelangweilt als von einem ähnlichen Beitrag über die Black Metal-Szene auf Spiegel-"Kultur". Man muss im hier vorliegenden Artikel zuerst mal trennen das man zwar auch als Metal-Band nun mal Geld zum Leben braucht, aber deshalb noch lange kein Teil der Monoweichspül-Popmusikwelt ist.

    Über den Film kann ich nichts sagen, den habe ich nicht gesehen, aber in diesem Artikel kommt dann auch noch das sakrale Thema Freundschaft (also keine social-community-Freunde jetzt!) für meine Bergriffe einfach zu oberflächlich mit in diese wilde Mischung.

     

    Ich möchte gerne der Freund von Dieter Bohlen sein. Schreibt doch lieber mal einen Artikel darüber, warum das mit Thomas Anders nicht geklappt hat!

     

    Außerdem schlage ein Update auf Schubladendenken2.0 vor...

  • S
    Schenker

    So ein Geschreibsel entsteht, wenn Popper es wagen, über Heavy Metal zu schreiben. Schreib einen Artikel über deinen Friseur!!

  • A
    Alex

    Anvil bringen seit Jahren Platten raus und touren mit ihrer Musik um die Welt... für mich sind das doch keine Loser. Ist man erst erfolgreich, wenn man so reich ist wie Metallica?

  • R
    Rüdiger

    Warum ist eigentlich keinem Redakteur/Korrektor aufgefallen, dass in diesem seichten Geisere – das sich zudem recht unwissend gibt, wenn es Anthrax & Metallica die gleiche Popularität als Zombiebands zuspricht – immer wieder zu lesen ist von "Anvil - Die Geschichte einer Freundschaft". Hätte es nicht an mancher Stelle auch ein Äquivalent wie "der Film", "die Doku" etc. getan. Vielleicht wollte der Autor nur Zeichen schinden, oder eben den Leser. Einen naiven Schinderhannes, der anhand eines Films gleich noch Heavy Metal ein Stück weit erklären will, braucht es nicht. Ich hoffe, Ihr habt das nicht auch noch gedruckt.

  • O
    Oberhart

    Und es ist nicht Pop. Pop ist eine Beleidigung. Dieter Bohlen und Scooter sind Pop. Pop ist das schleimige Zeug, das von windigen Produzenten mittels glatter Schmierlappen von Interpreten für den schnellen Euro gemacht wird.

     

    Guter Metal und guter Rock sind für die Ewigkeit. Deshalb kann man auch heute noch in jedem guten Plattenladen das Frühwerk von AC/DC, Slayer oder Exodus beziehen oder Tonträger längst dahingegangener Bands wie Led Zep oder Pantera, während von Take That, den New Kids on the Block und wie sie alle heissen, nach ein paar Jahren bestenfalls noch eine Best of Kompilation im Regal steht. Die Platten aus den 80ern, die sich in den 00ern am meisten verkaufen sind übrigens von Metallica und AC/DC. Also kommt mir hier nicht mit Pop.