: Sparmaßnahmen vor Gericht?
■ GAL-Gutachten: Geplante Kürzungen in Kindergartenbereich sind rechtswidrig / Behörde: „Voll daneben!“ Von Lisa Schönemann
Die geplanten Einsparungen des Senats im Kindertagesbereich sind rechtswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das gestern von der GAL-Rathausfraktion vorgestellt wurde. Die Beschlüsse, nach denen in diesem jahr 12,4 Millionen Mark eingespart werden sollen, „widersprechen den Maßgaben des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ÄKJHGÜ von 1991“, betont GAL-Sprecherin Jutta Biallas. Die Empfehlung der GAL: Die Betreiber der Kindergärten sollen vor dem Verwaltungsgericht die ihnen zustehenden finanziellen Mittel einklagen.
Überfüllte Gruppen, ellenlange Wartelisten und Personalnotstand bei den ErzieherInnen - da, wo die kleinsten Hamburger betreut werden, herrschen schon jetzt unhaltbare Zustände. Mit den Sparmaßnahmen des Senats wird sich die Situation für Kinder, Eltern und BetreuerInnen noch verschärfen: Ganztagsplätze sollen gestrichen und die sogenannte Kernbetreuungszeit verringert werden.
Die GAL beschreibt die fehlende Rechtsgrundlage für die vorgesehenen Kürzungen folgendermaßen: Das KJHG verpflichtet die Länder, ein bedarfsgerechtes Angebot für die Kinderbetreuung anzubieten. Die Planungsverantwortung liegt beim Amt für Jugend. Folglich wurden im Hamburger Kindertagesstättenbedarfsplan III Qualität und Quantität der Betreuung festgeschrieben. Das dokumentierte Niveau läßt sich jedoch mit dem verringerten Budget nicht mehr halten. Eine Leistungsverminderung sei also weder mit dem gültigen Gesetz noch mit seiner Ausformung, dem Plan III, zu vereinbaren. Ohne einen neuen Kindertagesstättenbedarfsplan könnten von daher keine Einsparungen vorgenommen werden. Der Senat hat zu dieser Auseinandersetzung erklärt, daß die gültige Jugendhilfeplanung einem „Finanzierungsvorbehalt“ unterliege. Das reicht nach Auffassung der GAL nicht aus, um sich von den Zielen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes abzuwenden.
Hamburg gibt nach Angaben der GAL zur Zeit etwa 393 Millionen Mark für die Kinderbetreuung aus. Die meisten der rund 56.000 Kindergartenplätze in der Hansestadt werden von der „Städtischen Vereinigung der Kindertagesheime und Kinderheime“ angeboten. Deren Betriebsratsvorsitzender Frank Sadowski berichtet von zahllosen Eltern, die ihn fragen, wie sie ihren Job behalten sollen, wenn rund 800 Ganztagsplätze für Kinder in Halbtagsplätze umgewandelt werden sollen. „Manche Häuser, wie zum Beispiel das in der Eulenstraße in Altona, müssen kurzfristig schließen, weil das Personal nicht ausreicht“, so Sadowski. Für neue Kindertagesheime wie das in der Gaußstraße würden von vornherein weniger Erzieherinnen eingestellt. Die Streichung von Früh- und Spätdiensten, in denen die Kinder der Berufstätigen betreut werden, die länger als von 8 bis 17 Uhr arbeiten, sei angedacht, und selbst die Kernzeit in den Kindergärten soll langfristig verringert werden.
Ulrich Vieluf, Sprecher der Jugendbehörde, bezeichnete das GAL-Gutachten als „voll daneben“ und attestierte den Gutachtern „eine Reihe von Lesefehlern und Fehldeutungen“. Die Kürzungen seien zudem lediglich als gedämpftes Wachstum zu betrachten, immerhin würden in diesem Jahr für die Kinderbetreuung mit 508 Millionen rund 60 Millionen Mark mehr ausgegeben als im Vorjahr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen